Das Stockholm Oktavo
vertraut machen.«
»Dann wird sie also von ihrem hohen Ross hinuntersteigen, um den Sieg zu erringen?«, fragte ich.
»Sie wird alles tun, um den Sieg zu erringen.« Er steckte die Hände in die Taschen, und wir gingen weiter durch die verlassene Straße. »Kann ich offen sprechen?«, fragte er. Ich nickte. »Madame hatte ihren Fächer auf den Zweig der Politik übertragen, ein Interesse, das nach dem Tod ihres Gatten Henrik wieder verlorenging – zur Erleichterung vieler Menschen, wenn ich das hinzufügen darf. Es bestand die Hoffnung, dass sie sich auf … einen passenderen Zeitvertreib kaprizierte, doch seit dem Sommer ist sie wieder von der Politik besessen. Zwischen Gullenborg und Herzog Karls Schloss Rosersberg gehen zweimal am Tag Briefe hin und her, mindestens an zwei Abenden in der Woche verkehrt eine Kutsche zwischen den beiden Häusern. Auf Madames Schreibtisch steht eine Miniatur von Karl.«
»Das klingt doch nach einem passenden Zeitvertreib.«
»Es ist keine einfache Herzensangelegenheit, wie Sie vielleicht mutmaßen. Seit ich im August in die Stadt zurückgekehrt bin, werde ich fast täglich nach Gullenborg gerufen. Dort treffen sich nur fanatische Patrioten; die Gespräche sind … erschreckend, gegen König Gustav wird Gift und Galle gespuckt. Madame verfasst aufwieglerische Pamphlete und bezahlt für deren Verbreitung. Sie ist besessen von der Angst, die Revolution könnte sich von Frankreich her ausbreiten, und lässt sich täglich die neuesten Nachrichten bringen. Sie hat Spione engagiert, die, als Stimmberechtigte des Klerus verkleidet, die Ratssitzung in Gävle besuchen. Sie führt eine Korrespondenz mit dem russischen Botschafter und spricht sich für einen bewaffneten Einmarsch unter Zarin Katharina aus.«
In den dunklen Schatten zwischen den Straßenlaternen am Postamt blieb ich stehen und vergewisserte mich, dass wir allein waren. »Das ist Hochverrat. Woher wissen Sie das alles?«
»Ich bin ihre rechte Hand«, flüstere er. »Ich schreibe für sie.«
»Und warum erzählen Sie mir das?«
»Wir sind Freunde, Herr Larsson, und ich kenne mich bei diesen Spielen mit hohem Einsatz nicht aus.«
Schweigend gingen wir weiter, dann sagte ich: »Beim Kartenspiel hat jeder Spieler das Gefühl, dass er ein Blatt hat, mit dem er gewinnen kann. Wenn die Uzanne kein Herz auf der Hand hat, was dann?«
»Kreuz – und ich denke, das will sie mit Gewalt in den Boden schlagen. Madame spielt das Spiel des Hochverrats und ordnet ihr Blatt. Wehe denen, die sich nicht vor ihr zu Boden werfen!«
»Wer bekommt den ersten Schlag ab?«
»Ich.« Blass und schwitzend beugte Meister Fredrik sich vor. »Als ich ihr gegenüber erwähnte, dass Sie vielleicht nicht geneigt sein könnten, als gemeiner Dieb und Rabauke aufzutreten, hat sie mich bedroht. Mich! Meister Fredrik Lind, der ihr mit Herz und Seele all die Jahre gedient und alles, was sie ist und hat, in Tinte gefasst hat! Sie hat gedroht, mich zu entlassen, sollte es mir nicht gelingen, Ihre Dienste zu requirieren. Dann wird sich schnell herumsprechen, dass ich in Ungnade gefallen bin, und mein Geschäft ist ruiniert.« Flehentlich blickte er mich an. »Ich habe eine Frau und zwei Söhne!«
Ich sah seine Angst und die Kränkung und gebe zu, dass er mir fast leidtat, als ich den Riss in seiner sonst so glänzenden Rüstung sah. Aber waren wir denn Freunde? Bis dahin hatten wir eine unbehagliche Verbindung gehabt, die auf persönlichem Nutzen basierte. Aber wenn ich mein Oktavo-Ereignis eintreten lassen wollte, brauchte ich jede Karte. »Dann ist die Trumpfkarte also ein Faltfächer? In dem großen Spiel, das Sie mir geschildert haben, hört sich das allerdings belanglos an.«
»Die Uzanne betrachtet Kassiopeia als eine adlige Gefangene des Pöbels und sieht die Aristokratie selbst von der Auslöschung bedroht. Zum Wohl der Nation hält sie Kassiopeias Wiedereinsetzung für unerlässlich.«
»Dann ist der Fächer für sie etwas … Magisches?«
»O nein, Herr Larsson, der Fächer ist für sie eine eigene Persönlichkeit.« Er schlug den Kragen zu den Ohren hoch.
Und dieser Fächer war in meiner Wohnung.
Ich verspürte einen Energieschub wie immer vor einem Spiel mit hohem Einsatz. Wenn das Ende nahte, dann könnte ich genauso gut dabei sein. Ich schlug Meister Fredrik auf die Schulter. »Einem spannenden Spiel kann ich nicht widerstehen. Sagen Sie Ihrer Madame, dass ich zu ihren Diensten stehe.«
Meister Fredrik packte meine Hand mit beiden
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