Das Stockholm Oktavo
richtig wären. Jasminduft stieg aus den Falten auf, ebenso wie feiner grauer Puder, der Johannas Finger überzog. Ihre Hände hatten gezittert, als sie am Morgen den Schaft gefüllt hatte. Die Uzanne wollte, dass die Vorführung perfekt wäre – das Schlafmittel müsste sofortige Ruhe und Entspannung bringen. Der Pantherpilz war eine gefährliche Ingredienz. Zum ersten Mal hatte Johanna wirklich Angst.
Sie hatte das neue Pulver viermal getestet. Das erste Mal an Kater Sylten. Die alte Köchin hatte sich gar nicht mehr beruhigen können, als sie seinen steifen Kadaver unter dem untersten Regalbrett in der Speisekammer gefunden hatte. Sie hatte Johanna mit dem Zeichen gegen den bösen Blick abgewehrt. Daraufhin hatte Johanna das Rezept verändert und den zweiten und dritten Test an sich selbst durchgeführt. Beim ersten Mal hatte sie sich erbrechen müssen und war dann drei Stunden bewusstlos gewesen, beim zweiten Mal hatte sie zwölf Stunden durchgeschlafen, geplagt von Albträumen und Schweißausbrüchen. Den vierten Test hatte sie mit einem Freiwilligen gemacht. Der Stalljunge, der Kleine Per, war ins Herrenhaus gezogen und begierig darauf, Johanna zu helfen. Sie brachte ihm lesen und schreiben bei, und er hatte sich nach ihren Arzneien erkundigt. Johanna war froh gewesen, einem weiteren Martyrium zu entgehen, und noch froher war sie gewesen, als der Kleine Per nach sieben Stunden Schlaf wie ein neugeborenes Kind ausgeruht und hungrig aufgewacht war. Aber Johanna wusste nicht, wer heute das Opfer sein sollte, und konnte daher die Dosis nicht richtig abschätzen.
Sie hielt den Atem an, während sie durch den Raum ging, die Absätze ihrer neuen Schuhe knallten in der Stille. Sie reichte der Uzanne den Fächer und wischte automatisch ihre Hände am dunklen Stoff ihres Rocks ab. Sie erwartete einen vorwurfsvollen Blick, der aber ausblieb. Die Uzanne beobachtete ihr Publikum, das sich auf seinen Plätzen vorgebeugt hatte. »Herzog Karl sagte einmal zu mir, Damen seien mit dem Fächer bewaffnet wie Männer mit dem Schwert. Erinnern Sie sich, General Pechlin?« Der alte Mann verzog keine Miene. »Vielleicht lässt Ihr Gedächtnis nach«, sagte sie. »Aber der Herzog wird erfahren, dass es stimmt, und ich würde Ihnen nun gern eine neue Technik vorführen, die ich entworfen habe. Dies ist für viele von uns heute ein Test. Prüfen wir zuerst, ob mein Fächerlieferant mich gut bewaffnet hat.« Die Uzanne öffnete und schloss den Fächer ein paarmal. »Ideales Gewicht. Geschmeidige Bewegung«, sagte sie zu Christian. Sichtlich erleichtert entspannten sich seine Schultern. »Ist die Waffe scharf, Fräulein Blom?« Johanna nickte mit gesenktem Blick. »Dann zu den Waffen, Fräulein Plomgren. Wir werden auch prüfen, wie weit Ihr Können reicht. Der Sieg … oder die Schmach wird Euer sein!«
Sie gab Anna Maria den grauen Fächer und wartete, bis es im Salon wieder still war. »Der Waffengang ist der Tanz der Anziehungskräfte«, sagte sie. »Von dort bewegen wir uns weiter zur Dominanz.« Einem Mädchen entfuhr ein nervöses Kichern, sie wurde aber gleich von ihren Mitschülerinnen mit strengen Blicken zum Verstummen gebracht. »Leider kann Sekretär Larsson heute nicht hier sein.« Sie spähte durch den halbdunklen Raum, als könne sie ihn allein durch ihre Willenskraft zum Auftauchen bewegen. »Aber Herr Nordén der Jüngere ist mehr als bereit, sich unter Fräulein Plomgrens Bann zu begeben. Sind Sie so weit?« Eifrig stand Lars auf. »Vielleicht müssen Sie nach dem Unterricht noch bleiben, vielleicht sogar die Nacht hier verbringen.« Dies löste gedämpftes Gelächter und Getuschel aus. »Wir brauchen einen Platz, wo Herr Nordén sich bequem hinsetzen kann.« Pechlin stand auf und ging mit ein paar Offizieren in ein angrenzendes Zimmer, aus dem die Männer einen Polstersessel in den Salon trugen. Pechlin blieb draußen stehen.
Die Uzanne forderte Lars Nordén auf, sich zu setzen. Das war das Zeichen für Anna Maria – mit fast schmerzhafter Bedächtigkeit öffnete sie den Fächer. »Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich mit einer Person eingelassen, die Ihre tiefsten Leidenschaften anfacht – Liebe und auch Hass.« Im Geiste sah die Uzanne Gustavs teigiges Gesicht vor sich. »Kaum sind Sie zusammen, müssen Sie das Kommando übernehmen. Sie können das Feuer schüren oder eine kühlende Brise schicken, die es löscht. Heute werden wir Letzteres beobachten.« Sie nickte, und Anna Maria ging näher zu Lars. »Bei
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