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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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abgeholt wurde. Der Kunde oder eher die Kundin war Französin, sie hat einen Brief geschickt, der nur mit
S. 
unterzeichnet war, aber darin wurde auch ein Herr … Larsson erwähnt.«
    Die Uzanne schloss ihren Fächer und umklammerte ihn, damit ihre Hand nicht unkontrolliert zitterte. »Könnten Sie diesen Herrn Larsson für mich ausfindig machen?«
    Lars Nordén versuchte aufzustehen, aber es ging nicht. »Ich werde die Quittungen nach näheren Angaben durchsehen, Madame«, sagte er und beugte im Sitzen den Oberkörper.
    Sie strich mit dem Rand des Fächerblattes übers Lars’ Wange. »Wenigstens ist man im Atelier Nordén geschäftstüchtig«, sagte sie und wandte sich an ihre unruhigen Schülerinnen: »Fräulein Plomgren wird nun in der verbleibenden Zeit mit Ihnen an der Dominanz-Sequenz arbeiten.«
    Anna Maria nickte und schlug mit dem Fächer, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Rascheln der Fächer begleitete die Uzanne, als sie mit gespielter Nonchalance durch den Salon ging. »Herr Lind!«, rief sie. Meister Fredrik blickte von einem Teller mit Krümeln auf, der auf seinem Schoß lag, ein Stück Kuchen blieb ihm im Hals stecken. Die Uzanne blieb vor ihm stehen, worauf er sich erhob und einen Diener machte. »Herr Nordén sagt, ein gewisser Herr Larsson wisse etwas über den Verbleib meines Fächers. Können Sie sich vorstellen, dass es derselbe Larsson ist, den Sie mir im Dezember vorgestellt haben?« Ihr gepudertes farbloses Gesicht war eine weiße Maske nackter Wut. »Ein Spieler, der von einer gewissen Madame S. einen Fächer als Wetteinsatz bekommen hat?« Meister Fredriks Schweigen war Antwort genug. »Sie werden ihn herbringen – unverzüglich!«
    Er wischte sich mit einer Serviette den Mund. »Madame, ich hatte Bedenken, es Ihnen schon vorher zu sagen, aber nun habe ich die Bestätigung – ich habe einen Boten geschickt, um sicherzugehen: Herr Larsson ist zu Hause, er ist schwer am Winterübel erkrankt«, sagte er mit hoher, erstickter Stimme. »Seine Nachbarin Frau Murbeck glaubt, dass sein Leben auf der Kippe steht. Sie sucht seine Angehörigen.«
    Die Uzanne drehte sich weg und klopfte mit dem zusammengefalteten Fächer auf ihre Handfläche. »Hat sie welche gefunden?«
    Meister Fredrik schüttelte betrübt den Kopf. »Herr Larsson hat nur seine Logenbrüder – mich und Herrn Christian Nordén.«
    Die Uzanne sah Meister Fredrik wieder an, ihr dünnes Lächeln gab ihm erneut einen Hauch erlösender Hoffnung. Sie kam ihm peinlich nahe, und er konnte ihren Atem auf seinem Gesicht spüren und Jasminduft, vermischt mit Rosenpomade, riechen. »Dann gehen Sie jetzt sofort zu Ihrem Logenbruder. Sollte er meinen Fächer irgendeiner Gespielin gegeben haben, werden Sie ihn mit eigenen Mitteln zurückkaufen. Sollte er den Fächer verkauft haben, werden Sie ihn suchen und stehlen. Sollte er Kassiopeia aus irgendeinem Grund noch haben, holen Sie sie zurück, egal mit welchen Mitteln. Ist das klar?« Meister Fredrik nickte wieder, eine Hand lag an seinem Hals. »Sie haben schon früher in der Ausübung Ihrer Pflichten gezaudert, Herr Lind, und der Schaden, den Sie davontragen, wenn man Sie in einem Rüschenkleid und Damenschuhen erwischt, wird nicht wiedergutzumachen sein. Fräulein Blom hat sich als äußerst talentierte Spionin erwiesen. Nur eines konnte ich nicht herausfinden: Was geschieht mit jungen Armeeoffizieren, deren Väter widernatürliche Geheimnisse haben? Fragen Sie Ihre Söhne, Herr Lind, oder deren Kommandeur. Ich bezweifle, dass es ihnen sehr viel besser ergeht als dem Perversling selbst.«
    Meister Fredrik fiel der Teller aus der Hand, aber niemand hörte den Knall und das Klirren gesplitterten Porzellans, zu vertieft waren alle in ihre Unterhaltungen, die sie in der Fächersprache führten.

Kapitel 38

Delirium und Bekenntnis
    Quellen: E. L., M. F. L., Frau M., Mikael M., Herr Pilo
    Als Meister Fredrik an mein Lager kam, war ich gerade aus einem achtundzwanzigstündigen Delirium erwacht – das Ergebnis einer halben Teetasse voll mit Pilos Gebräu –, in dem es von tobenden Geistern der Lebenden und der Toten wimmelte. Und von Frau Murbeck. Sie kam und ging rund um die Uhr mit einer solch hingebungsvollen Fürsorge, wie man sie dem eigenen Kind angedeihen ließ. Einmal stattete mir auch Meister Fredrik einen Besuch ab, der sich Frau Murbeck als mein Bruder vorstellte.
    »Lob sei dem Allmächtigen! Endlich ein Verwandter, der Herrn Larsson bei seinem Abschied von dieser Welt

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