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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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Johanna unter und ging mit ihr auf die andere Seite des Raums. Anna Maria folgte. Meister Fredrik stand da, schlug sich die zitternden Hände vors Gesicht – sie rochen nach Bienenwachssalbe, mit der er sie geschmeidig hielt – und blieb ein paar Minuten so stehen. Er war sich dessen bewusst, dass die Uzanne ihn über dem Abgrund baumeln ließ.
    Die Uzanne wies Johanna einen Platz auf einer Bank vorn im Salon zu und ließ ihren Fächer aufschnappen, damit die Leute ihr Aufmerksamkeit schenkten. Das Geplauder verstummte, Tassen wurden abgestellt, Gabeln zur Seite gelegt, und als Antwort wurden andere Fächer raschelnd geöffnet.
    »Ihr Debüt mag noch wie ein ferner Traum erscheinen, aber ich versichere Ihnen, dass er in Erfüllung geht und Sie eine unvergessliche Nacht erleben werden. Gustavs Reichstag zu Gävle ist möglicherweise zu … anstrengend, als dass er mit uns feiern könnte, dafür aber hat Herzog Karl zugesagt, Sie zu empfangen.« Aufgeregte Kommentare flogen von Fächer zu Fächer. Lars regte sich stöhnend in seinem Sessel, aber es war ein wohliges Stöhnen. Es gab lauten Applaus und Hochrufe für den tapferen Freiwilligen. »So früh schon wach, Herr Nordén?«, fragte die Uzanne mit leichter Unruhe in der Stimme. Er nickte und sackte dann wieder zurück; es sah so aus, als würde er weiterschlafen. Die Uzanne warf Johanna einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Aber Madame«, fragte eine nervöse Schülerin, »wie können wir denn hoffen, bis dahin die Dominanz zu beherrschen?«
    Die Uzanne wandte sich an ihre Klasse: »Meine Damen, Sie müssen in den kommenden Wochen fleißig üben. Und Sie brauchen einen Fächer, der Ihres Trainings würdig ist – kein bedrucktes Papier, keine billigen Souvenirs aus Pompeji; italienische Fächer sind sowieso viel zu schwunglos. Spanische Fächer sind in Ordnung, sie werden in Frankreich hergestellt. Französische Fächer sind die besten, und die aus dem Atelier Nordén sind die hervorragendsten französischen Fächer, die es hier in Stockholm gibt. Der taubengraue Fächer, von dem Herr Nordén heute erobert wurde, ist dafür das beste Beispiel. Ich gehe davon aus, dass die Nordéns für jede Schülerin einen solchen Fächer liefern können.«
    Christian wurde rot und verbeugte sich. Margot saß neben ihm und runzelte verwirrt die Stirn. Die jungen Damen interpretierten diese unverhoffte Großzügigkeit auf ihre Weise und kreischten. Lars war erledigt, aber wieder wach genug, um ein Geschäft zu wittern. »Und was für einen Fächer dürfen wir Ihnen liefern, Madame?«
    »Für mich gibt es nur einen Fächer, Herr Nordén, und den haben Sie nicht: Kassiopeia.«
    »Wer ist Kassiopeia?«, fragte Lars, als sich wieder munteres Geplapper erhob. Die Uzanne beschrieb den Fächer in allen Einzelheiten, sie schilderte sein Verschwinden sowie die Sorge und den Ärger, den seine Abwesenheit verursachte. Lars kratzte sich am Nacken, sein Gesicht war finster und nachdenklich. Dann drehte er sich verschlafen zu Christian um: »Aber Bruder, hatten wir denn im letzten Sommer nicht so einen Fächer im Laden? Sicherlich erinnerst du dich.«
    Christian sah Margot an, sie schürzte die Lippen und schüttelte unauffällig den Kopf. Christian räusperte sich. »Lieber Bruder, du träumst wahrscheinlich noch!«
    Es kostete die Uzanne all ihre antrainierte Selbstbeherrschung, um anmutig zu Lars zu gehen und langsam und ruhig zu sprechen. »Sie denken, mein Fächer war zu Besuch in Ihrem Geschäft?« Er zuckte mit den Achseln und nickte verlegen. »Aber wer hat ihn denn hingebracht? Und wer hat ihn abgeholt?«, fragte sie.
    Margot stand auf und machte einen Knicks. »Madame, ich erinnere mich vage an einen alten französischen Fächer, den ein Bote gebracht hatte. Er war kurz zu einer kleinen Reparatur bei uns und wurde dann gleich wieder verschickt, ich glaube, an eine Dame im Elsass. Es ist also nicht gesagt, dass es Ihre Kassiopeia war.«
    Die Uzanne setzte sich neben Lars und nahm seine Hand. »Es würde sich für Ihr Geschäft lohnen, wenn Sie sich vergewissern könnten.«
    Lars sah die Uzanne mit gespannter Erwartung an. Er sah die Panik in Christians Gesicht und spürte Margots bohrenden Blick auf sich. Dann blickte er zu Anna Maria, die ihn in diesem Kampf um Dominanz in der Familie mit erregt leuchtenden Augen abschätzte. »Der Fächer, den Sie mir beschrieben haben, war tatsächlich zu einer winzigen Reparatur bei uns. Ich war nicht zugegen, als er gebracht wurde, wohl aber als er

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