Das Stockholm Oktavo
Pflaume beeindrucken.«
Ich hatte es zu spät erfahren, und in der Zwischenzeit hatte mein Geschwätziger gegen mich gespielt. »An Lars Nordén hätte ich nie gedacht«, sagte ich.
»Keiner hat an Lars Nordén gedacht. Bis jetzt«, sagte Meister Fredrik und sah sich in meinem spärlich möblierten Zimmer um. »Also, Emil, was wissen Sie über diese Kassiopeia?«
Es wäre dumm gewesen, jetzt noch alles vollständig leugnen zu wollen. »Der Fächer wurde beim Kartenspiel in Madame Sparvs Salon verloren«, flüsterte ich. »In Spielerkreisen wird über diese Geschichte viel gelacht – dass eine so reiche Dame sich als so schlechte Verliererin erweist.«
»Und hat diese Sparv den Fächer noch?«
»Nein. Sie meinte, er sei irgendwie verhext.« Ich hustete und goss mir ein weiteres Glas Wasser ein, meine Kehle war ganz trocken. »Aber ich kann mich für Sie erkundigen, wo er jetzt ist.«
»Das wäre zu unserem beiderseitigen Vorteil«, sagte er mit bebender Stimme.
»Wie hoch ist die Belohnung?«
»Die Belohnung? Wie können Sie in dieser Situation an so etwas denken. Dass ein paar Menschenleben gerettet werden, muss Belohnung genug sein. Mein Leben zum Beispiel und das meiner Frau und meiner Söhne.«
»Will die Uzanne die Familie Lind wegen eines Fächers töten?« Ich wollte lachen und bekam wieder einen Hustenanfall.
»Wenn es mir nicht gelingt, diesen Fächer aufzutreiben, wird sie mich bloßstellen. Bloßstellen und ruinieren.«
»Bloßstellen? Womit?«
Meister Fredrik stand auf und spähte durch den Spalt zwischen den Vorhängen auf die Straße hinunter, als könne die Uzanne ihn hierher verfolgt haben. »Ich bin der führende Kalligraph der Stadt. Es hat Jahre gebraucht, bis ich meine Kunst vervollkommnet hatte, und meine Methoden sind unorthodox.« Ich zuckte mit den Schultern – das hörte sich kaum nach einem Grund an, in den Ruin getrieben zu werden. »Am Anfang meiner Laufbahn tat ich mich schwer, einen Auftrag in gleichmäßiger Schrift durchzuführen, manchmal waren an die zweihundert Einladungen oder Briefe zu schreiben. Das erste Dutzend wirkte vielleicht ganz weiblich und leicht, doch dann verfiel ich in eine Männerschrift und musste wieder von vorn anfangen. Also habe ich eine Technik entwickelt: Ich stellte mir vor, selbst der Verfasser oder die Verfasserin des Briefes zu sein, Gastgeber oder Gastgeberin. Ich malte mir aus, wo sie saßen, was sie dachten, aßen, trugen. Es war wie Magie, Herr Larsson, alles klappte bestens.«
»Dass ein Künstler seine Phantasie gebraucht, kann man wohl kaum unorthodox nennen.«
»Ja, aber in meinem Streben nach Meisterschaft habe ich mir angewöhnt, mich zu verkleiden. Am Anfang war es keine große Sache – um ein feiner Herr zu sein, trug ich meine beste Perücke und ein elegantes Wams, und um eine Dame zu sein, legte ich ein bisschen Schmuck von meiner Frau an. Als meine Kundschaft dann gesellschaftlich höherrangig wurde, verkleidete ich mich ausgiebiger, weil das für meinen Erfolg immer wichtiger wurde. Ich war der Uzanne jahrelang ein ergebener Diener, ich habe ihr ganzes Wesen mit Tinte auf Papier übersetzt, habe die Blätter parfümiert, die Umschläge angefeuchtet, versiegelt, ich habe, wenn nötig, ihre Post auch selbst überbracht. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Uzanne zu werden. Meine Gattin hat sich an den Früchten meiner Passion erfreut und mich dazu ermutigt, in meiner Erscheinung so vollendet zu sein wie jeder Buchstabe auf dem Papier. Ich legte mir eine umfangreiche Garderobe mit Damenunterhemden, Miedern, Unterröcken, Kleidern, Roben, Röcken, Reifröcken, Mänteln, Jacken und den verschiedensten Accessoires zu, die meine Frau umgearbeitet hat, damit sie mir passen. Ich bewahre sie in einem verschlossenen Schrank in meiner Schreibstube auf.« Er hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und ging nun auf und ab, als würde er in der Akademie debattieren. »Ich arbeite seit geraumer Zeit nur noch verkleidet. Ich trage Uniformen und höfische Herrenkleider, ich bin sogar an einen alten Senatorentalar gekommen. Aber ich trage auch Tanzschuhe mit Schnürbändern und roten Absätzen, schminke mir die Lippen und male mir Schönheitsflecken aufs Kinn, ich setze Perücken auf, lege Reifröcke an, versprühe Eau de Lavande in meinem Zimmer. So tauche ich geistig in die andere Person ein.«
Das Bild auf seiner Oktavo-Karte fiel mir ein – eine Frau und ein Mann saßen zusammen unter einem blühenden Baum. »Ich habe mich über
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