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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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klug, aber ich fühle mich dazu verpflichtet. Zunächst war es die Hoffnung, den Fächer der Uzanne wiederzufinden und meinen Kopf zu retten, die mich hier festhielt, dann aber die Feststellung, dass ich Zeit brauchte, um genau zu überlegen, was oder wen ich retten will.« Er nahm ein Buch vom Nachttisch. »Frau Murbeck hat ihre Bibel hiergelassen. Soll ich daraus vorlesen?«, fragte er.
    Ich nahm das Glas Wasser, trank dankbar und schloss die Augen. »Etwas Erbaulicheres wäre mir lieber.«
    »Also gut. Ich gebe zu, dass ich in den vergangenen drei Tagen sehr viel über Carl Michael Bellmann nachgedacht habe.«
    Ich lehnte mich ans Kissen. Ein derbes Trinklied wäre eine fröhliche Alternative zu
Der Herr ist mein Hirte
.
    »Vor vielen Jahren luden mich zwei neue Bekannte zu einem üppigen Mitternachtssouper am Strandvägen ein, und ich wollte unbedingt Eindruck auf sie machen«, hob Meister Fredrik an. »Am Skeppsbrokajen warteten wir eine Stunde lang auf ein Boot, schließlich drehte eine Fährfrau bei, ausnahmsweise gut gelaunt, und ihre Schute schaukelte wohlig auf dem Blau. Die Laterne am Bug blinzelte sich im Wasser selbst zu, die Luft war kühl und erfrischend. Wir wollten gerade ablegen, als ein Grüppchen von vier Männern sich laut schreiend näherte und fragte, ob sie mitfahren könnten, denn es war spät, und es fuhren nur wenige Boote. Die Fährfrau fluchte, sagte, das Boot sei überladen und sie könne uns nicht mal zusammen mit zehn Teufeln hinüberrudern. Ich wollte nicht, dass meine vornehmen Freunde sich mit diesem betrunkenen Pöbel auseinandersetzen mussten, und schlug mich mit beleidigenden Attacken auf die Seite der Fährfrau. Einer der aufsässigen Gesellen, ein Trunkenbold unbestimmten Alters, schob mir seine Schnauze vors Gesicht, aus seinem offenen Maul wehte eine dampfige Rumfahne. Er hatte eine Cister unterm Arm und hielt sich aufrecht, indem er mich an der Schulter packte. ›Ich bin der Hoftroubadour des Königs‹, sagte er, ›und werde als Bezahlung ein Lied für Sie komponieren.‹
    Meine Gefährten waren noch versnobbter als ich, schienen sich aber über diesen besoffenen Musikanten zu amüsieren. Sie fanden ausreichend Geld, um die Fährfrau zufriedenzustellen, und wir zwängten uns ins Boot, das anfangs so stark krängte, dass es fast gekentert wäre. Dann aber fanden wir unser Gleichgewicht und glitten, bis auf das Knarren und Platschen der Riemen, in aller Stille übers Wasser. Der rumtrunkene Mann fing an, seine Cister zu stimmen, und als die Saiten richtig klangen, spielte er und sang dazu. Seine Stimme wurde vom Wasser und von der Luftfeuchtigkeit verstärkt, jeder Ton war wie ein Stern in der samtigen Nacht. Selbst die Fährfrau lauschte, und wir schaukelten im Takt seines Lieds dahin. Irgendwann sangen wir alle mit, es klang so harmonisch, wie ich es seither nie wieder gehört habe. Wir blickten in den dämmrigen Himmel, die Sommersonne hing über dem Horizont, das Boot schwebte in seiner eigenen Welt, und die Musik sprach zu irgendeinem geheimen Ort meines Herzens.«
    »Das ist besser als jeder Psalm«, sagte ich schwach.
    »Einer meiner Bekannten flüsterte mir zu, dass der Mann tatsächlich der Hoftroubadour des Königs sei, der große Bellman. Ich stand auf, schüttelte ihm die Hand und sagte: ›Ich hoffe, Ihre Musik eines Tages in feinerer Gesellschaft zu hören.‹ Er sah mich seltsam an und erwiderte: ›Sie sind mit Freunden zusammen. Das ist die feinste Gesellschaft, die es gibt.‹ Dann sagte er, er würde wie versprochen ein Lied für mich singen.« Meister Fredrik räusperte sich:
    »Besoffener Sänger im Boot
    Fragt sich, ob er schwimmt, der Snob,
    Schmeißt ihn ins Nass und sagt darob:
    Ist dir eine Lehre recht? Tuut-tuut.
    Nimm die Hand, die man dir reicht.
    Dann stieß er mich von Bord. Ich war sicher, ich würde ertrinken, aber Bellman und seine Kumpane zogen mich schnell aus den tintenschwarzen Tiefen. Darüber habe ich in den letzten drei Tagen nachgedacht.«
    »Übers Ertrinken?«, fragte ich. Ich spürte, dass meine Laken so nass waren, als wäre ich selbst über Bord gegangen.
    Meister Fredrik wischte eine Fussel von seinem Mantelsaum. »Bellmann, so hatte ich damals gedacht, wollte mir offenbar sagen, dass ich die Chance auf einen Aufstieg ergreifen solle. Er selbst war dafür das beste Beispiel, immer lief er hinter König Gustav und anderen Adligen wegen Geld und Gefälligkeiten her. Also lernte ich die Lektion und brachte mein Leben damit zu,

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