Das Stockholm Oktavo
nichts getrunken. Er fand es wohl unhöflich.«
»Er hatte gute Manieren, der Herr Larsson, und ein angenehmes Äußeres. Wirklich schade um ihn. Er hätte sich noch als nützlich erweisen können, und ich hielt ihn zwischendurch für einen ebenbürtigen Partner.«
Johanna war dankbar dafür, dass der Wind ihr die Wangen gerötet hatte, sodass die aufsteigende Röte überdeckt wurde. »Für wen, Madame? Keine Ihrer Schülerinnen würde sich mit einem Sekretär zufriedengeben.«
»Nein? Ich dachte, Fräulein Plomgren würde einen Gewinnsüchtigen einem Dandy vorziehen. Der junge Nordén geifert nach ihr, er hat aber keinen Schimmer, wie sauer diese Pflaume ist – und wie alt.« Johannas Augen weiteten sich vor Erstaunen, und die Uzanne lachte. Sie ging zum Fenster, um ihren Schatz im fahlen, grauen Licht der Gauben zu betrachten. Sie berührte beide Seiten des Blatts, strich mit dem Zeigefinger über jeden Stab wie eine Mutter, die über die Verletzungen ihres Kindes streicht, das weggelaufen war.
»Ich gehe davon aus, dass Ihr Fächer in einem sehr guten Zustand ist, Madame«, sagte Johanna. Schweiß sammelte sich kitzelnd an ihrem Haaransatz.
Die Uzanne drehte ihn auf die Rückseite, die Sternbilder glänzten schwach, die auf dem Kopf stehende Königin war im trüben Licht kaum zu erkennen. »O ja, der Fächer ist unverändert. Der Unterschied liegt in meiner Erkenntnis der Macht, die er tatsächlich besitzt, und meiner Entschlossenheit, diese Macht mit meinem Willen zu paaren. Darin liegt die Magie.« Sie hängte Kassiopeia mit sichtbarer Vorderseite in die wartende Nische, schloss die Tür und sperrte sie ab. Die Magd, die sich zum Lauschen an die Wand gedrückt hatte, konnte ein Husten nicht unterdrücken. Die Uzanne drehte sich um und starrte sie an. »Luisa, haben Sie den Unsinn der Köchin geglaubt und sind spionieren gekommen? Gehen Sie nach oben und fangen sie an zu packen!« Die Uzanne wartete, bis das Mädchen hinausgehuscht war, und schloss die Türen. »Und Sie müssen jetzt hinunter in Ihr provisorisches Offizin, Johanna. Ich brauche doch ein stärkeres Schlafmittel als gedacht – eines, das einem Seereisenden einen ganzen Tag und eine ganze Nacht Ruhe schenkt. Haben Sie dafür alles Nötige?«
»Ich … ich bin mir nicht sicher. Das ist ein sehr langer Schlaf, und man müsste das Mittel vorher ausprobieren.«
»Stimmt. Herrn Nordéns Schläfchen in unserem Unterricht war sehr viel kürzer als erwartet.«
»Es würde mir helfen, die Statur des Reisenden zu kennen.«
Die Uzanne zog eine Grimasse. »Er ist Herzog Karl sehr ähnlich, nur älter und verfetteter.«
Johanna überlegte. »Sie können es mir sagen, Madame – Sie meinen sicherlich General Pechlin. Sie beklagen sich ja schon lange über seine Einmischung in Ihre Beziehung zum Herzog.«
»O nein. Der, den ich meine, ist sehr viel gefährlicher als Pechlin.« Sie drehte sich wieder zum Schreibtisch um und spielte mit ihrem grau-silbernen Fächer. »Sein Kopf ist zu dick geworden für die Krone. Er muss zur Verantwortung gezogen werden. Er muss verschwinden.«
Johanna faltete die Hände, damit sie nicht zitterten. »Madame?«
»Der Kleine Per ist nicht das ideale Versuchsobjekt, aber er scheint Sie zu mögen. Verabreichen Sie ihm eine großzügige Dosis als Belohnung für sein fleißiges Lernen. Ich will, dass das Pulver getestet wird, bevor wir verreisen.«
»Wohin fahren wir?«
Die Uzanne schloss den Fächer und legte ihre Hand an Johannas Wange. »Sie kommen mit mir nach Gävle. Dort werden Sie allein Ihr Debüt haben, fast als wären Sie … meine Tochter. Wir brechen übermorgen bei Tagesanbruch auf. Und vergessen Sie nicht, Ihre hübschesten Kleider mitzunehmen«, sagte die Uzanne, als wäre diese strapaziöse Reise aus Gründen des Landesverrats ein Ausflug ins Grüne. »Noch eins, Johanna: Die Köchin hat in ihrer Gerüchteküche einen großen Topf verleumderische Reden gekocht, und Sie sind die Hauptzutat. Der Dienerschaft kann also nicht mehr getraut werden.«
»Ich kann heute keine Buchstaben mehr schreiben, Fräulein Blom«, sagte der Kleine Per. Er kauerte an seinem Tisch in der dunklen Küche und aß eine Schüssel gelbe Erbsensuppe.
»Du hast heute schwer geschuftet, Kleiner Per, und es ist fast schon zehn Uhr. Du hast dir eine schöne lange Nachtruhe verdient.« Johannas Stimme war warm und weich.
»Madame!« Sie drehte sich schnell zur Treppe. Der Kleine Per sprang vom Hocker auf und stand stramm.
»Fräulein
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