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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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bleiben.«
    Sie stritten, wer ihr die Nachricht überbringen sollte. Strohhalme wurden gesammelt, damit man das Los ziehen konnte; die Glöckchen eines anderen Schlittens kündigten weitere Reisende an, die passieren wollten. »Bei den Stigmata des Herrn – wer ist das denn jetzt wieder?«, grummelte der Hauptmann. Er zog seine Handschuhe an und ging zu dem kleinen Schlitten, der sich eher für kurze Stadtfahrten eignete als für eine Tagesreise über Land. Eine blasse, schlanke Hand reichte dem Hauptmann durch den spärlich geöffneten Türspalt einen Brief, versiegelt mit rotem Wachs. Er starrte ihn kurz an und brach das Siegel, seine Haltung wurde immer strammer, während er las. Als er fertig war, blickte er auf und gab den Brief mit einem Bückling zurück. »Sie können passieren, Madame Sofia Sparv. Gute Fahrt!«
    Der Fahrer von Madame Sparvs Kutsche schlug mit den Zügeln, und die nicht zusammenpassenden Pferde, ein Grauer und ein Brauner, machten sich auf den Weg nach Uppsala und weiter nach Gävle. Das Bimmeln der Glöckchen am Zaumzeug hallte fröhlich durch die kalte Luft, aber der Schrei, der aus der offenen Tür der schwarzen Reisekutsche drang, ließ sogar den Hauptmann und dessen Soldaten vor Schreck herumfahren. Die Uzanne stand auf der untersten Stufe der Trittleiter.
    »Warum darf die Kutsche dieses Bürgerlichen passieren und meine nicht?«
    »Der Passagier hatte Papiere, die von König Gustav persönlich abgestempelt und versiegelt waren«, rief der Hauptmann, trat aber nicht näher.
    »Und wie hieß dieser Passagier?«
    »Das ist Sache des Königs, nicht Ihre.« Die Uzanne starrte ihn an, als verstünde sie die Sprache nicht. »Am besten, Sie fahren zurück in Ihr schönes Haus und zu Ihren Fächern, Madame Uzanne. Der Reichstag ist kein Ort für eine Dame.«

Kapitel 46

Masken und Kostüme
    Quellen: L. Nordén, M. F. L., Luisa G.
    Lars Nordén eilte zu der Uzanne und küsste ihr die Hand in höfischer Manier, hocherfreut über dieses intime Zusammentreffen in ihrem Boudoir. Das war ein sicheres Zeichen, dass er Christian überholt hatte. Er war zufrieden mit sich, dass er seinen neuen Brokatrock angezogen und seine Stiefel auf Hochglanz poliert hatte. »Madame, ich bin Ihr ergebener …«
    »Ergebener«, wiederholte Anna Maria von ihrem Platz auf dem Diwan.
    »… Diener. Ihre Reise, Madame? Sie war sicherlich lohnenswert«, sagte Lars.
    »Lohnenswert? Nein, Herr Nordén, weit gefehlt!«, sagte die Uzanne und zog ihre Hand zurück. »Herzog Karl und ich hatten einen mutigen und gnadenvollen Plan, um unser Land wieder zu Sinnen zu bringen. Aber man verweigerte mir mein Reiserecht.« Sie ging von ihrem Frisiertisch zum Fenster und blieb stehen, um den Kleinen Per zu beobachten, der über den rosafarbenen Kies humpelte und ein Bein nachzog. »Ich habe viele Berichte aus Gävle gehört. Adlige ohne Rückgrat. Unfromme Geistliche. Kindische Bürgerliche. Betrunkene Bauern, die an jeder Ecke ihr Schmiergeld erbrochen haben. Gustav ist triumphierend wieder in die Stadt zurückgekehrt und plant noch mehr sogenannte Reformen radikalster Natur: eine vollständige Ausweidung des ersten Standes. Das wird das Ende Schwedens sein.« Langsam ging sie wieder zu ihrem Toilettentisch zurück und nahm eine weiße, paillettenbesetzte Maske. »Insofern war meine Reise äußerst … inspirierend. Ich bin entschlossen zu handeln, wo vierhundert Patrioten und Herzog Karl es nicht vermochten.«
    Meister Fredrik hörte auf, mit den hellgrünen Fransen der Vorhangquasten zu spielen, und verneigte sich. »Madame, ob Sie uns wohl erzählen …«
    »Seien Sie still, Herr Lind. Sie sind auf Bewährung hier.« Die Uzanne setzte sich an ihren Frisiertisch. »Ihr Angebot, Wiedergutmachung in Form von Einladungen zum Debüt zu leisten, garantiert Ihnen keine ständige Anwesenheit hier.« Die drei Besucher sahen schweigend zu, wie sie die Maske aufsetzte und sich im Spiegel betrachtete. »Der Einzug der Debütantinnen beim Maskenball wäre in Gävle die Feier eines historischen Ereignisses geworden, aber nun wird das Debüt das historische Ereignis selbst sein, so, wie ich es zu Anfang vorgehabt hatte. Und noch dramatischer als ursprünglich geplant.«
    Anna Maria drückte Lars’ Hand.
    »Hoffentlich dürfen wir dabei sein!«, sagte er.
    Die Uzanne stand auf, trat näher und zog ein Band an Lars’ Rockärmel fest. »Genau deshalb sind Sie hier. Und es gibt noch jemand, der zu unserer Gefolgschaft gehört. Fräulein

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