Das Stockholm Oktavo
ist es, aber es war kein Spiel, wie Sie es sich vorstellen.« Ich wollte den Fächer nehmen, aber Johanna ließ ihn nicht los. »Und ich hätte auch nicht mitgespielt, wenn ich Bescheid gewusst hätte.«
»Ich auch nicht«, sagte sie nur und sah mir in die Augen.
»Und was sagt die Uzanne zu diesem himmlischen Fächer?«
»Nur, dass er blau und mit Sternen gesprenkelt ist und ein dunkles Geheimnis birgt. Aber vielleicht kennt sie sich mit humanistischen Themen auch nicht so gut aus, Herr Larsson.« Johanna berührte den leeren Federschaft, der am Mittelstab entlanglief. »Sie will selbst Geschichte schreiben. Sie reist zum Reichstag nach Gävle«, sagte sie. Ihre vordergründige Ruhe wurde nun Lügen gestraft von einer leichten Verkrampfung, die sich in ihre Schultern gestohlen hatte. »Sie will ihren Fächer haben, wenn sie den König trifft.«
»Ich war bei ihrer Lektion über den Waffengang dabei. Außer dass vielleicht sündige Gedanken heraufbeschworen wurden, hat man scheinbar keinen Schaden angerichtet. Und Meister Fredrik hat mir die Vorführung vom Januar geschildert. Auch er hatte Angst, aber das Ganze wirkte wohl eher wie die Wanderschau eines Quacksalbers.«
»In Gävle wird sie nicht so unterhaltsam sein, Herr Larsson. Ich kenne keine Einzelheiten, aber sie ist eine perfekt getarnte Verschwörerin. Niemand würde bei einer Adligen vermuten, dass sie mehr im Schilde führt als Petitessen.«
»Und Sie wollen als Komplizin der Uzanne auftreten?«
»Auftreten, ja. Wenn ich meine Rolle nicht spiele, kann ich auch nichts erfahren. Deshalb müssen Sie mir den Fächer geben.«
Ich hörte draußen Frau Murbecks Schuhe knarzten, als sie ihre Haltung veränderte. »Und was geschieht, wenn Sie ohne Kassiopeia zurückkehren?«, fragte ich.
Johanna starrte auf die schwarz gemalte Kutsche und den orangeroten Himmel und schloss den Fächer. »Dann wird das Ungeheuer das Mädchen fressen. Die Königin wird Sie holen. Und es wird sicherlich Tote geben – Todesfälle von weitaus größerer Tragweite als Ihr Tod.«
Ich dachte an das Stockholm Oktavo, zwei ineinandergreifende Formen, die mit jeder Bewegung das Ergebnis der anderen beeinflussten und zusammen noch einflussreicher waren. »Gibt es denn einen Tod, der nur kleine Kreise zieht?«, fragte ich. Sie antwortete nicht, sie legte nur den Fächer wieder in die Schachtel. »Wenn Sie mit leeren Händen zurückkommen, wird es sicherlich schlimm ausgehen. Daraus könnten wir schließen, dass Kassiopeias Rückkehr den gegenteiligen Effekt haben könnte.«
Sie sah mich neugierig an und neigte den Kopf, sodass die niedrigstehende Sonne eine goldene Linie über ihr Haar zog. »Was sollte das sein?«
»Hoffnung auf Wiedergeburt«, sagte ich.
»Hoffnung gibt es immer.« Johanna entdeckte den Papierstreifen unter Kassiopeia, der cremeweiß auf dem blauen Samtfutter lag. Sie zog ihn heraus und las laut: ›Verstecken Sie sie gut. Ich werde Ihnen sagen, wann Sie sie auf die Reise schicken müssen.‹ Was bedeutet das?«
Plötzlich sah ich das Ass der Stempelkissen vor meinem geistigen Auge: das Gesicht eines Cherubs über zwei Königslöwen, die auf einem Wappenschild zum Kampf bereit waren. Und neben dem Engelsgesicht war ein kleiner Vogel, der eine Botschaft tschilpte. Eine berauschende Hitze durchfuhr mich: mein Gefangener! »Das bedeutet, dass ein Sperling eine dringende Nachricht gesandt hat«, sagte ich. »Sie sind Teil meiner Acht.«
»Acht was?«
»Acht Personen. Das ist eine Kartenlegetechnik, die man Oktavo nennt.«
»Ich erinnere mich an diesen Begriff. Sie hatten in jener Nacht im
Sauschwanz
davon gesprochen«, sagte sie. »Sie sollten damals eine Ehe eingehen.«
Ich führte die Tasse an meine Lippen und trank, obwohl der Kaffee kalt war und enttäuschend schmeckte. »Es lief nicht so wie geplant.«
»Was für einen Ausgang hat die Hellseherin Ihnen vorhergesagt?«
»Einen goldenen Weg.« Ich sagte nicht »Liebe und Verbundenheit«, denn ich fand, das klang töricht, außerdem fürchtete ich, ich hätte schon zu viel gesagt. »Eigenartig ist, dass mein Oktavo mit der Forderung begann, dass ich entgegen meinen Wünschen heiraten sollte.«
Sie beugte sich vor und nickte, ihr Blick war mitfühlend. »Deswegen bin ich in die Stadt geflohen. Anscheinend haben wir auch die Abscheu vor der Ehe gemeinsam.«
»Sind Sie deswegen hierhergekommen?«
Sie erzählte mir von ihrem grauen Leben in Gävle, von ihrer Verlobung mit dem Witwer Stenhammar, der
Weitere Kostenlose Bücher