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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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Betreff: Fräulein Blom
    Quelle: J. Blom
    D ie alte Köchin ließ den Teller mit dem Essen, das nicht angerührt worden war, auf den Boden des Arbeitszimmers fallen, das feine Porzellan zerbrach in spitze Scherben. Fleischstücke und Soße spritzten auf ihre Schuhe, Rosenkohlröschen mit Speck rollten in den Kamin. »O Madame, verzeihen Sie, aber meine Hände sagen mir, dass ich sprechen muss.« Die alte Köchin machte keine Anstalten, den Dreck wegzuputzen, sondern rang die Hände und wischte sie an ihrer Schürze ab. »Es betrifft Fräulein Blom.«
    »Ja?« Die Uzanne blickte von ihrem Brief auf.
    »Ich weiß, dass Sie das Mädchen mögen, und Luisa sagt, dass Johanna allen hier auf Gullenborg viel Gutes getan hat. Aber ich habe da meine Zweifel, Madame, ernstliche Zweifel.«
    »Und wie kommen Sie darauf?« Die Uzanne stand auf und kam um ihr Schreibpult herum.
    Die alte Köchin verzog das Gesicht, kniete sich hin und hob die Scherben des Tellers auf. »Da ist zum einen der Kleine Per.« Sylten wagte sie nicht zu erwähnen, eine tote Katze bedeutete ihrer Herrin nichts. Aber der Junge war eine andere Sache, er war noch immer nicht vollständig genesen. »In letzter Zeit ist das Mädchen sehr oft in der Löwenapotheke und versteckt diese unheilvollen Päckchen ganz hinten in den Schränken. Wenn Johanna arbeitet, will sie niemanden in der Nähe haben. Ich habe gesehen, wie sie sich einen Schal fest um Nase und Mund gebunden hat, damit sie nicht einatmen muss, was sie zu Pulver mahlt.«
    »Vielleicht sind ihre Lungen entzündet und empfindlich. Sie wissen sehr gut, wie schmerzhaft das sein kann. Und der Kleine Per hat Ihnen doch selbst von seinem Leichtsinn erzählt. Dennoch beschuldigen Sie Fräulein Blom weiterhin.«
    »Ich will nur nicht, dass Ihnen oder sonst jemandem auf Gullenborg etwas zustößt, Madame.«
    »Ihre Sorge treibt mich zur Tat, Köchin.« Sie legte der Frau eine Hand auf die Schulter. »Lassen Sie alles liegen. Wir gehen jetzt in die Küche hinunter und klären das ein für alle Mal. Ich will keine weiteren Unstimmigkeiten.«
    Die alte Köchin richtete sich langsam auf, ihr schwerer Atem rasselte. Ihre Schritte hallten durch die leere Diele, als sie zur Kellertür gingen. Auf Gullenborg war es ruhig, die meisten Bediensteten waren schon im Bett. Die alte Köchin schloss die Tür auf, zögerte aber, bevor sie die Klinke herunterdrückte. »Und warum versperrt man die Tür, wenn sie doch gar keine Gefahr ist?«
    »Ich selbst habe Johanna eingeschlossen, weil ich glaube, dass
sie
in Gefahr ist. Und daran haben Sie keinen geringen Anteil!« Die Uzanne nahm die alte Frau am Ellbogen und schob sie sanft zur Treppe. Die alte Köchin schielte die Uzanne ein paarmal an, während sie zusammen die Stufen hinuntergingen, konnte deren Gesicht in der Dunkelheit aber nicht sehen.
    Johanna stand steif neben dem Haublock. Die Lampe über dem Tisch brannte, der Kessel dampfte. »Kochen Sie der alten Köchin Tee, Fräulein Blom. Ich bin hier, um endlich zwischen Ihnen beiden zu schlichten.«
    Die alte Köchin schob ihren Stuhl ans Feuer, sie war wachsam, aber das hier war schließlich ihr eigenes kleines Reich, und sie traute sich, Platz zu nehmen, während ihre Herrin stand. Sie beugte sich vor. »Warum nennen Sie mich auf einmal
alte
Köchin?«
    »Holen Sie den grau-silbernen Fächer, Johanna. Ich gehe davon aus, dass Sie erledigt haben, was ich Ihnen aufgetragen hatte.«
    »Und der Tee?«, fragte Johanna leise.
    »Sehen Sie, wie rücksichtsvoll Fräulein Blom ist?« Die Uzanne setzte sich auf die Küchenbank. »Ihr Wohlbefinden steht für sie an erster Stelle.«
    Bis auf das Geräusch von Wasser, das ausgegossen wurde, und das Klirren eines Löffels an Blech war es ganz still im Raum. Der Duft von Kamille tränkte die Luft. Die Zubereitung des Tees nahm gerade so viel Zeit in Anspruch, dass Verzweiflung in Johanna hochsteigen konnte. Nachdem die Herstellung des Pulvers nun erledigt war, schien sie kaum mehr von Nutzen, im Gegenteil, sie war eine echte Belastung. Die Uzanne wollte das Pulver testen und hatte die alte Köchin mitgebracht, um sie festzunageln. Sie konnte nicht weglaufen. Und wenn sie den Fächer gegen die Uzanne richten würde, wie sie es sich vorgenommen hatte, wäre die alte Köchin sicher bereit, für ihre Herrin zu sterben. Johanna reichte die Tassen herum, und die drei Frauen nippten und bliesen in den heißen Tee, während die alte Köchin ihren chronischen Husten zu unterdrücken

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