Das Stockholm Oktavo
gewusst zu haben. Ich habe ihr gut gedient, was?« Ihre Stimme war so ruhig, als würde sie eine Szene in einem Theaterstück beschreiben, doch dann schlug sie die Hände vors Gesicht.
»Vielleicht können wir das Ende des Stücks noch abändern«, sagte ich und dachte an das Oktavo. »Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, Gullenborg zu verlassen? Ich habe versucht, Sie zu befreien, aber man hält Sie streng gefangen.«
»Meine Aufgabe hier ist noch nicht erfüllt. Wenn die Uzanne später am Abend nach mir schickt, werde ich tun, was ich tun muss, und aus der Haustür gehen. Wenn nicht, werde ich morgen Abend in einer Kutsche zum Maskenball fahren.« Johanna schürte energisch das Feuer, Flammen loderten auf, erstarben wieder und warfen einen rötlichen Schein auf ihr Gesicht. »Die Uzanne hält mich für unfähig zu Waffengang und Dominanz, aber ich werde mich als ihre beste Schülerin erweisen. Ich werde sie an mich ziehen und mich opfern, und ich werde selbst einen tödlichen Fächer tragen – grau-silbern, von Meister Nordén. Auf die eine oder andere Weise plane ich das Ende der Uzanne, und auf die eine oder andere Weise wird man mich schnappen. Mein Ende steht jedenfalls fest«, sagte sie.
Ich stellte die Schüssel mit Eintopf, den ich nicht angerührt hatte, auf den Boden, und die neue Küchenkatze machte sich hungrig über die Fleischstücke her. »Fest steht lediglich, dass Sie verschwinden müssen.«
»Das ist nicht nötig. Ich habe nichts mehr zu verlieren, ich bin so gut wie tot.«
Ich stand auf und stellte mich neben sie an den Herd. »Sie sind äußerst lebendig, Johanna.«
Sie starrte in die ineinanderfallenden Kohlen, als hätte sie mir gar nicht zugehört. »Ich war dumm und eingebildet, ich habe den Umfang meines Wissens über den Apothekerberuf übertrieben, ich habe meine Unterstützung der Pläne der Uzanne gerechtfertigt und mich selbst für unschuldig gehalten, weil ich das tödliche Pulver nur hergestellt, nicht aber verabreicht habe. Ich habe gedacht, alles, was ich tat, sei meine eigene Entscheidung gewesen. Aber wenn der König stürzt, wird Herzog Karl zum Herrscher ernannt. Alle Royalisten werden bestraft. Und die Uzanne wird Gustavs Sohn ausschalten. Wer weiß, wo dies alles enden wird und wie viele Menschen ruiniert sein werden. Begreifen Sie nun das Ausmaß meiner Dummheit?«
»Manchmal handeln wir Menschen dumm«, sagte ich, »aber keiner von uns ist allein – es gibt immer die Acht.« Ich dachte an meine Kurier-Karte: der erfolgreiche Geschäftsmann, der wertvolle Güter transportiert, sich aber besorgt umsieht. Endlich wusste ich, wer gemeint war! »Ich hatte gehofft, Sie könnten in der Stadt bleiben. Aber das geht nun wohl nicht mehr, oder?« Sie schüttelte den Kopf. »Leider habe ich es versäumt, wie versprochen eine Passage auf einem Segelschiff für Sie zu buchen, aber das werde ich heute Abend nachholen und zudem einen sicheren Ort für Sie finden. Sie müssen morgen Abend zum Maskenball gehen. Und danach werden Sie frei sein.«
Leise, aber dringlich klopfte es an die Kellertür. Sie öffnete sich einen Spalt, und die Küchenmagd sagte gehetzt und ängstlich: »Wir haben hier noch einem anderen Teufel zu trotzen, Diakon. Die Uzanne ist unerwartet nach Hause gekommen. Gehen Sie und lassen Sie eine Handvoll Münzen liegen als Dank, dass ich Sie gewarnt habe.«
Ich warf die Münzen auf den Tisch, sodass die Magd es hörte, dann flüsterte ich Johanna zu: »Ich lasse Ihnen morgen über Frau Murbeck bestellen, wann und wo wir uns treffen. Halten Sie auf dem Maskenball nach Orpheus Ausschau – er wird Sie aus der Hölle führen!«
Johanna stand im warmen Schein des Herdfeuers, ihr Gesicht lag im Dunkeln, doch ich spürte ihren Wunsch nach Berührung. Und dem kam ich nach.
Kapitel 54
Vorbereitungen
Quellen: E. L., M. F. L., Frau M., Frau Lind, das Skelett, Marktbeschicker
Den Morgen des 16 . März verbrachte ich auf dem Amt. Ich tat so, als würde ich arbeiten, und sorgte dafür, dass ich in dieser Nacht keine Termine hätte. Ich sagte meinem Vorgesetzten, dass ich mein Mädchen treffen und ihm einen Antrag machen wolle. Als die Glocken der Storkyrkan fünf Uhr schlugen, entschuldigte ich mich und eilte nach Hause in die Skräddargränd. Da nach dem 15 . März die Laternen an den Häusern nicht mehr angezündet wurden, war es dunkel in den Straßen, aber am Himmel glomm noch schwach das Abendlicht. Schmelzwassertropfen auf Steinen und das gelegentliche Grollen
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