Das Stockholm Oktavo
Uzanne ihren Fächer innehalten – es folgte die Stille einer überheblichen Zurückweisung. Carlotta fuhr fort: »Herzog Karl teilt das Interesse seines Bruders am Okkulten und sucht Bestätigung und Führung. Und wer könnte das besser leisten als des Königs Quelle des Glücks? Der Herzog bestand darauf, dass die Hellseherin und ihre Räumlichkeiten ganz kurzfristig verfügbar sein mussten.«
»Und Gustav ist bereit, sein Orakel zu teilen?«
»O nein, König Gustav weiß davon nichts. Er ist auf Reisen.« Carlotta dämpfte die Stimme: »Die Frau ist eine glühende Royalistin, Madame. Sie hat sich geweigert, den Herzog zu empfangen. Und natürlich wurde sein Interesse durch ihre Ausflüchte nur noch angefacht. Er hat ihr klargemacht, dass er eine Weigerung nicht akzeptieren würde.« Die Damen betraten das Treppenhaus. »Ich verstehe nur nicht, warum der Herzog nicht allein kommt. Warum will er während eines Mittsommernachtsfestes eine Wahrsagerin aufsuchen?«
Die Uzanne drehte gemächlich ihren Fächer. »Der Herzog ist auf Veränderung bedacht, aber er braucht eine Menge Rückversicherungen. Er braucht Gesellschaft.«
Ich sah, wie sie die Treppen hinaufstiegen, ihre gerafften Röcke entblößten weiße Strümpfe und Satinschuhe mit geschweiften Absätzen. Die kleinen Messinglaternen auf jeder Stufe ließen den weichen Schwung der Knöchel schimmern. Carlotta war ein saftiger Pfirsich, aber sie hüpfte und sprang wie ein junges Mädchen. Die Uzanne hingegen bewegte sich mit einer Anmut, die man nur durch jahrelange aristokratische Übung erlangte, und das machte sie noch schöner – eine Frau, die man berühren wollte, auch wenn man wusste, dass man es nicht tun sollte, bei der man aber dennoch dreist genug sein wollte, es zu versuchen. Ich folgte in respektvollem Abstand und beobachtete, wie Carlottas prachtvoller Hintern sich majestätisch vor mir erhob.
Katarina zog eine Augenbraue hoch, wagte aber nicht, mich daran zu hindern, dass ich mich zu den Gästen gesellte. Im Foyer blieb die Uzanne kurz stehen und besah sich die Porträts des schwedischen und des französischen Monarchen. »In der Galerie der Herrscher fehlt ein königliches Bildnis«, sagte sie. »Herzog Karl. Es sei denn, hier bekommen nur diejenigen die Ehre, deren Zeit abgelaufen ist.«
Einen Herzschlag lang herrschte tiefes Schweigen, dann brandete Applaus auf, die Kommentare überschlugen sich.
Madame Sparv beobachtete alles vom anderen Ende der Diele aus. Sie trug ein helles grau-grünes Kleid und einen Paisley-Schal, der eher zu einer Tagesgarderobe gepasst hätte. Ihr braunes Haar war ungepudert, sie hatte es im Nacken zu einer Schnecke zusammengebunden und trug weder eine Perücke noch eine Haube. Ihr Gesicht war eine starre Maske. Nur die Hände verrieten ihren Ärger, sie hatte sie an ihren Seiten zu roten Fäusten geballt. Neben ihr stand ein zierlicher Mann in einer Militäruniform von äußerst vornehmem Schnitt und Tuch. Mit geübter Anmut trat er vor und schenkte der Uzanne einen ausgiebigen Kuss auf ihre behandschuhte Hand, dabei sah er Carlotta an, die ein paar Schritte hinter ihr stand.
Hinter mir kam Katarina herauf und zwickte mich in den Arm. »Das ist er. Herzog Karl.« Ich hatte erwartet, dass dieser Armeeheld und königliche Casanova von eindrucksvollerer körperlicher Statur wäre. »Er hat seine Gemahlin am Mälarsee und seine Mätresse auf der anderen Seite der Brücke auf Kungsholmen zurückgelassen«, flüsterte sie.
»Ich bestehe darauf, dass wir hier und heute Nacht nur in die Zukunft blicken, Madame Uzanne«, sagte Herzog Karl, beugte sich vor und flüsterte ihr etwas zu. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihren Mund. Sie sah durch den Flur zu Madame Sparv, fing deren Blick auf und hielt ihm stand. Hätte Herzog Karl die Uzanne nicht zu den Spielsälen geführt, wären sie wahrscheinlich noch eine ganze Zeit lang so stehen geblieben.
»Der Herzog denkt, Madame Sparv würde ihn für die spirituelle Sitzung reiner finden, weil er allein gekommen ist, aber vielleicht steigt er die Treppen jetzt dennoch befleckt herauf.« Katarina schluckte ein Lachen hinunter, und ich kaschierte meines, indem ich hustete. Ich beobachtete, wie der Herzog Carlotta vorgestellt wurde. Lange hielt er ihre Hand in seinen beiden Händen, was mich erröten ließ, dann entschuldigte er sich und verlangte nach Madame Sparv, die ihn die Stufen zum oberen Zimmer hinaufführte. Ein Offizier stellte sich vor die Stiege und blockierte den
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