Das Stockholm Oktavo
Seiten wie die Frauen. Und Gustav kann nicht glauben, dass Karl ein Komplott gegen den Thron schmiedet. Er hat ihm sogar die Gunst gewährt, es zu beweisen: Er hat seinen lieben Bruder zum Militärgouverneur von Stockholm ernannt.«
»Und deswegen schlafen wir heute Nacht alle besser«, sagte ich und fächerte meine Karten auf. »Aber jetzt müssen Sie Ihre Einsätze tätigen.«
Das Gespräch verstummte. Man hörte nur das Klatschen und Schleifen der Karten, das Klimpern von Münzen und das Rascheln von Banknoten. An den Tischen schlug ich mich in jener Nacht außerordentlich gut, Spielen war ein Talent, an dem ich ständig feilte. Auch dem Spitzel erging es gut, denn es war in Madame Sparvs Interesse, die Polizei zu schmieren, obschon ich nicht sagen konnte, wie sie die Partien manipulierte, denn er spielte nicht besonders geschickt.
Kurz vor drei Uhr stand ich auf und streckte mich. Madame Sparv kam zu mir und umfasste meine Hand. Sie hatte ihre Blütezeit lange hinter sich und war schlicht gekleidet, doch im weichen Schimmer des Kerzenscheins und des Alkoholdunstes erstrahlte sie in früherem Glanz. Sie hielt den Atem an und zog mit einem langen, schlanken Finger eine Linie auf meiner Handfläche nach. Ihre Hände waren kalt und zart, sie schienen über meinen zu schweben und sie gleichzeitig sanft zu wiegen. Mein einziger Gedanke in diesem Moment war, dass sie eine ausgezeichnete Taschendiebin abgeben würde, aber für Schnickschnack war sie nicht zu haben – ich prüfte danach meine Taschen –, und ihr Blick war warm und ruhig.
»Sie sind für die Karten wie geschaffen, Herr Larsson, und hier in meinem Salon werden Sie spielen und größten Nutzen daraus ziehen. Ich würde sagen, wir haben noch viele Partien vor uns.«
Die warme Woge dieser Anerkennung durchspülte mich von Kopf bis Fuß, und ich erinnere mich, dass ich ihre Hand an meine Lippen führte und unsere Verbindung mit einem Handkuss besiegelte.
In jener Nacht begann ein zwei Jahre andauerndes übermäßiges Glück im Spiel, und bald sollte ich das Oktavo kennenlernen, eine Kunst der Weissagung, die nur Madame Sparv beherrschte. Sie bestand darin, acht Karten eines alten, geheimnisvollen Kartendecks auszulegen – anders als jedes Blatt, das ich bisher gesehen hatte. Im Unterschied zu den vagen Andeutungen der Zigeunerinnen auf dem Marktplatz lagen Madame Sparvs exakten Voraussagen Visionen zugrunde, und die Karten standen für acht Personen, die das vorhergesehene Ereignis verursachen würden – ein Ereignis, das eine Veränderung, eine Wiedergeburt des Suchenden mit sich brachte. Wiedergeburt steht selbstverständlich auch für Tod, aber das wurde nie ausgesprochen, wenn die Karten gelegt wurden.
Der Abend endete mit einer Reihe betrunkener Toasts: auf König Gustav, auf Schweden, auf die Stadt, die ich liebte.
»Auf
die
Stadt!«, sagte Madame Sparv und stieß mit mir an, die bernsteinfarbene Flüssigkeit spritzte mir auf die Hand.
»Auf Stockholm«, antwortete ich mit einem sentimentalen Kloß im Hals, »und das gustavianische Zeitalter!«
Kapitel 2
Zwei wundervolle Jahre und ein schrecklicher Tag
Quelle: E. L.
Binnen sechs Monaten seit meinem ersten Besuch stieg ich zu Madame Sparvs Partner auf. Sie sagte, sie kenne nur zwei andere Spieler meines Talents: Sie selbst, der andere war tot. Das war ein Kompliment, keine Warnung.
Madame Sparv betrog zwar gelegentlich, wie alle, aber sie betrieb nicht die übliche Falschspielerei mit gezinkten Karten, sie bewarb ihr Haus auch nicht über die Maßen, damit die Spieler es für vornehmer und vertrauenswürdiger hielten als andere Etablissements. Sie konnte Karten so mischen, dass es nicht nachvollziehbar war, und ihr sekundenschnelles einhändiges Abheben vollführte sie mit der Unschuld eines Milchmädchens. Nur für ganz dringliche Situationen hatte sie ein vorgeordnetes Deck, außerdem konnte sie im Nu eine Karte in der Hand verschwinden lassen und sie durch eine andere ersetzen.
Manchmal ging es bei unseren Schwindeleien nicht um Gewinn, sondern darum, einen unwillkommenen Spieler dazu zu bewegen, das Lokal aus freien Stücken zu verlassen. Unsere Taktik nannte sie »Schubs«: Sie machte mich auf den entsprechenden Spieler aufmerksam, ich setzte ordentliche Summen und spielte meine Karten so, dass der Gegner unterlag, ungeachtet des Ausgangs für mich. Ich verlor sehr viel mehr, als ich gewann, und niemand würde einen Verlierer des Betrugs bezichtigen. Nach einer, höchstens zwei
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