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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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Nächten hatten die Gauner den Wink verstanden und kamen nicht wieder. Bei den Spitzeln dauerte es länger, weil sie keine Spieler waren, aber am Ende schlichen auch sie sich davon. Madame Sparv belohnte meine diskrete Mithilfe, indem sie meine Verluste mehr als nur ausglich und mit mir ihre exklusiven Flaschen aus dem Keller teilte.
    Genau wie sie es am ersten Abend vorausgesagt hatte, hatte ich nach einem Jahr in ihrer liebevollen Schule ausreichend Geld gemacht, um mir auf dem Zoll- und Steueramt eine Position zu erkaufen – ein fast unmöglicher Aufstieg für jemanden, der mit nichts begonnen hatte. Ich entstammte einer Familie roher und frömmelnder Bauern in Småland, doch unsere Wege hatten sich schon vor langer Zeit endgültig getrennt. Die einzige Gemeinschaft, der ich angehörte, war eine nichtamtliche Bruderschaft, in der Stadt als »Orden zum Ruhme Bacchi« bekannt, ein freimütiger, seelenvoller Haufen, der genauso schnell heulte wie lachte und dem Liedgut frönte, auch wenn er zu besoffen war, um zu stehen, und zu arm, um die Zeche zu bezahlen. Die Mitgliedschaft erforderte viel Zeit in den siebenhundert Stockholmer Schänken, und man musste dafür vom Hohen Priester des Ordens, dem Genie und Komponisten Carl Michael Bellman, mindestens zweimal betrunken aus der Gosse gezogen werden. Doch die Bruderschaft erwies sich sowohl für mein Wesen als auch für meinen Geldbeutel als viel zu beschwerlich, und so verbrachte ich meine Nächte beim Kartenspiel. Wenn ich nicht am Spieltisch saß, dann zu Hause vor dem Spiegel, um mich darin zu üben. Meine Hingabe verband mich engstens mit Madame Sparv, und mein Vermögen wuchs stetig.
    Im Frühjahr 1791 hatte ich den Eindruck, jeden in der Stadt zu kennen, zumindest vom Sehen, angefangen bei den Huren in der Baggensgatan bis zu den Adligen, die diese freiten. Sie hingegen kannten mich nicht, dafür trug ich stets Sorge. Es lag in meinem persönlichen und beruflichen Interesse, dass man mich sofort wieder vergaß; so entkam ich Zwistigkeiten, Verpflichtungen und gelegentlichem Rachedurst. Mein roter Beamtenrock öffnete mir Türen und Geldbörsen und eine ansehnliche Zahl weicher, weißer Schenkel. Neben meinem Salär bezog ich Provisionen aus allen beschlagnahmten Waren und konnte mir einen ausgezeichneten Weinkeller »importieren« sowie hochelegante italienische Stiefel und Hausrat für die neue Wohnung, die ich in der Skräddargränd mitten in der Stadt gemietet hatte. Ich erschien gegen Mittag im Büro, machte die Ablage und empfing Anweisungen, um drei Uhr trank ich mit meinen Kollegen Kaffee in der
Schwarzen Katze
, danach ging ich nach Hause, nahm ein kleines Abendessen ein und hielt ein Schläfchen, bevor ich loszog. Meine Hauptaufgabe bestand darin, Schmuggler zu entlarven und verdächtige Ladungen zu kontrollieren, was meist nachts an den Docks und in den Lagerhäusern geschah. Ich verbrachte viel Zeit damit, Informationen in Kaffeehäusern, Wirtschaften und Schänken zu sammeln, die die Stadt übersäten wie heitere Laternen. Dabei kam ich mit Damen und Herren jeder Provenienz in Kontakt. Meine Befragungsmethoden wurden als andächtige Begeisterung interpretiert. Für einen Junggesellen war es der ideale Beruf, noch besser für einen Kartenspieler, der sich bestens darauf verstand, Gesichter und Gesten zu lesen und einen Bluff zu wittern.
    Dann tat sich ein Riss in meinem perfekten Leben auf.
    Es war an einem schönen Junitag, am Pfingstmontag. Mein Vorgesetzter, ein überaus gottesfürchtiger Mann mit Mundgeruch, rief mich gleich am Morgen zu sich. Ich ging zwar sonntags zum Gottesdienst – ansonsten konnte man bestraft werden –, er fand dies jedoch nicht ausreichend für einen Mann, der seine Zeit in Gesellschaft von Trunkenbolden, Dieben, Spielern und leichten Mädchen verbrachte. Ich führte an, dies gehöre zu meinen Pflichten und der Heiland selbst habe solchen Umgang gepflegt. Mein Vorgesetzter runzelte die Stirn. »Aber dies war nicht Seine ausschließliche Gesellschaft«, sagte er und faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Es gibt ein menschliches Antidot zu dem Gift, das Sie umgibt, Herr Larsson.«
    Ich war völlig verdutzt. »Jünger?«, fragte ich.
    Er wurde absonderlich rot. »Nein, Herr Larsson, den Ehestand.« Er stand auf, beugte sich über den Schreibtisch und reichte mir eine billige Broschüre mit dem Titel
Was für die heiligen Bande spricht
. »Die Regierung ermutigt junge Mädchen mit der Jungfrauen-Lotterie dazu. Ich

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