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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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selbst will meinen Teil durch neue Auflagen für Sekretäre beitragen: Heirat. Bischof Celsius billigt es zu hundert Prozent. Sie, Herr Larsson, sind der einzige Sekretär, der noch nicht einmal eine Heirat ins Auge gefasst hat. Ich verlange von Ihnen, dass Sie bis Mittsommer das Aufgebot bestellen.«
    Ich schlug die Broschüre auf und gab vor zu lesen. Ich profitierte zwar vom Kartenspiel, aber eine hitzige Hand konnte allen Gewinn wieder verspielen, und auf den Falschspieler, der leichtsinnig wurde – und das wurden sie alle irgendwann –, wartete das Gefängnis. Nein, ich würde meinen roten Rock, meinen Titel, meine neu entdeckte Behaglichkeit, meine Räumlichkeiten im Herzen der Stadt nicht aufgeben. Mit ein bisschen Glück würde ich zusätzlich zu einer stattlichen Mitgift eine ständige Haushälterin bekommen. Zuallermindest würde die Ehe mir weiterhin das Leben ermöglichen, das ich schätzte.

Kapitel 3

Das Oktavo
    Quellen: E. L., Madame S., A. Vingström, die Damen N. und C. Kallingbad
    In jeder Straße gab es Kuppler und Wichtigtuer, die ein Dutzend heiratsfähiger Mädchen nennen konnten – die aber waren entweder arm oder schon alte Jungfern. Pflichtschuldig stellte ich eine Liste zusammen, die ich meinem Vorgesetzten zeigen konnte, schindete aber Zeit, indem ich erklärte, vor einer Heirat ohne echte Gefühle zurückzuschrecken. Er bot an, sich für mich in seinen »höheren« Kreisen umzuhören, doch ich hegte keinerlei Zweifel, dass diese Mädchen so tugendhaft wie unattraktiv und stumpfsinnig waren. Und gerade als ich kurz davorstand, aus diesem erbärmlichen Grüppchen eine Frau wählen zu müssen, tauchte Carlotta Vingström auf. Wir trafen zufällig zusammen, als ich geschäftlich mit ihrem Vater zu tun hatte, einem erfolgreichen Weinhändler, der ein konfisziertes Schiff aus Spanien auslösen wollte. Carlottas Haar war honigblond, ihre Haut von warmem Pfirsichrosa, und sie hatte üppige Rundungen, die auf eine üppige Küche schließen ließen. Carlottas Anblick inmitten all dieser Flaschen und Fässer verleitete mich dazu, ihr noch am selben Tag ein Sträußchen zu kaufen. Mit ihr könnte ich meinen roten Rock behalten und nebenbei das Eheglück finden!
    Carlottas Mutter hatte ihre Tochter zweifelsohne darauf vorbereitet, ein, zwei Sprossen auf der sozialen Leiter hinaufzuklettern, Carlotta jedoch schenkte mir, binnen weniger Minuten nachdem wir einander vorgestellt worden waren, einen koketten Blick. Ich eilte nach Hause und schrieb einen Brief, doch es kam keine Antwort. Ich hatte eben keine Ahnung, wie man um eine Frau warb! Also spazierte ich an jenem Sommerabend zu einer Partie Boston Whist und einem schönen Portwein zu Sofias Haus und hoffte, die Karten würden mir weiterhelfen. Es war ein Sonntag, der Abend war beliebt für Bälle und Feste, in der Ferne hörte ich, wie ein Waldhorn geblasen wurde – Auftakt zu einem Gelage. Der Klang hob meine Stimmung, und ich stieg die gewundene Steintreppe zwei Stufen auf einmal hinauf. Katarina, Madame Sparvs Hausmädchen, begrüßte mich mit der spröden Sachlichkeit, die gegenüber Spielern angebracht war, und ich gesellte mich an einen Tisch voller reicher, unerfahrener Spieler. Gerade wollte ich meinen Stich mit der Dame einstreichen, da beugte sich Madame Sparv zu mir und flüsterte: »Ganz kurz, Herr Larsson, es ist wichtig.« Wie die Höflichkeit es gebot, stand ich auf und folgte ihr durch den Saal.
    »Was ist passiert?«, fragte ich leise. Mir fiel auf, dass sie die Hände rang.
    »Nichts ist passiert. Ich hatte eine Vision. Und wenn sie einen anderen Menschen betrifft, stehe ich unter Schwur, sofort davon zu berichten.« Sie hielt inne, nahm meine Hand und starrte auf meine Handfläche. »Hier sind die gleichen Hinweise.« Sie blickte lächelnd auf. »Liebe und Verbundenheit.«
    »Wirklich wahr?«, fragte ich bass erstaunt.
    »In meinen Visionen sehe ich die Wahrheit. Sie ist aber nicht immer so zart. Kommen Sie.«
    Sie ging zur Treppe, und ich folgte ihr in ihr Zimmer im Oberstock. Wie in den Spielsälen gab es auch hier schwere Vorhänge und einen dicken Teppich, aber es roch weniger nach Tabakrauch und mehr nach Lavendel, die Temperatur wurde absichtlich kühl gehalten. Der Raum war gemütlich und schlicht eingerichtet – nur ein runder Holztisch mit vier Stühlen, eine Anrichte mit Weinbrand und Wasser und zwei Ohrensessel neben einem Ofen mit moosgrünen Kacheln. Ich hatte schon einigen Kartenlege-Sitzungen beiwohnen

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