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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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Nordén war ich nicht gefasst gewesen. Die Fassade hatte außergewöhnlich viele Glasfenster, und das Schnitzwerk war lindgrün gestrichen. Die Oberlichter waren in verschlungene Holzbänder und -blumensträuße eingefasst. Doch es gab nicht nur weiblichen Flitter – die Paneele unter den Schaufenstern waren schlicht und nüchtern, die Säulen am Ladeneingang trugen ionische Kapitelle. Sicherlich kamen viele Leute, ausschließlich um die Ladenfront zu bestaunen, und gingen dann schnell wieder weiter, weil sie sich unwürdig fanden, den Türknauf zu drehen. Eleganz hat mich nie eingeschüchtert, aber dieser wundervolle Ort ließ mich innehalten. Ich ging über die Straße und blieb vor dem Schaufenster stehen. Die drei Regalbretter hinter der Scheibe waren mit kohleschwarzem Baumwollsamt ausgelegt und mit Schneeflocken aus Papierschnipseln gepunktet. Natürlich wusste jede Dame, dass ein Wechsel der Jahreszeiten auch einen Wechsel der Garderobe erforderte, und diese Schneeflocken waren ihr eine Erinnerung daran, dass auch ihr Fächer diesem Wechsel folgen müsste. Auf jedem Regalbrett lag ein einzelner Fächer, einer hübscher als der andere. Auf den oberen beiden Fächern war eine idyllische Phantasielandschaft dargestellt: Bäume färbten sich herbstlich, Tupfen aus echtem Blattgold ließen das gemalte Sonnenlicht noch wärmer wirken. Jeder, der sie betrachtete, fühlte sich von fruchtbarem Überfluss umgeben – der perfekte Fächer für eine Maid, die selbst eine Ernte einfahren wollte. Der dritte Fächer auf dem unteren Brett stand nicht wie die anderen auf einem Halter, sondern er lag. Es sah so aus, als hätte man ihn in Eile dort abgelegt, der obere Rand zeigte zur Straße. Das Blatt war indigoblau wie die Nacht und mit Pailletten bestückt – ein Schauder des Wiedererkennens lief mir über den Rücken. Ich stand noch immer vorgebeugt und blickte ins Schaufenster, um sicherzugehen, dass das Spiel von Licht und Schatten mir keinen Streich spielte – da sah ich, dass jemand im Laden mich beobachtete. Mit nach außen getragener Nonchalance schlenderte ich zum Eingang und betrat das Geschäft.
    »Bonjour«
, sagte ich, »ich suche Monsieur Nordén.«
    »
Bonjour
dem Herrn im roten Rock! Willkommen, Sekretär. Ich bin Margot Nordén. Ich muss meinen Gatten entschuldigen, er ist außer Haus, aber es wäre mir eine Freude, Ihnen zu Diensten zu sein.« Sie reichte mir die Hand, und ich musste sie unweigerlich küssen. Sie war keine klassische Schönheit, hatte aber ein fesselndes Äußeres, am auffälligsten an ihr war die spitze Nase. Mit ihrem dunklen Haar und ihren kobaltblauen Augen ähnelte sie einem Vogel, obgleich einem hübschen. Ihre Stimme und ihr Auftreten waren höfisch, also verneigte ich mich und blickte auf den Boden, als ich ihr, verlegen über meine schlechte Beherrschung des Französischen, meinen Namen nannte. Sie schien nichtsdestotrotz entzückt zu sein und lächelte nur noch herzlicher.
    »Bitte«, sagte sie und deutete auf zwei Stühle an einem zierlichen, femininen Tischchen, »nehmen Sie Platz, ich bringe gleich eine Erfrischung. Möglicherweise verpassen Sie Ihr Mittagsmahl, wenn Sie zu dieser Stunde kommen. Ihr Auftrag muss von großer Dringlichkeit sein.«
    »Ich werde auf dem Zollamt erwartet, möchte diesen meinen Auftrag aber unbedingt ausführen«, sagte ich. Sie lächelte wissend und ging durch einen Vorhang in den hinteren Teil des Ladens. Wenn man schon sein Essen ausfallen lassen musste oder zu spät zur Arbeit kommen würde wie ich, dann könnte es dafür keine angenehmere Umgebung geben. Der Raum war mit breiten, waagerechten Streifen aus fröhlichem Zitronengelb und gedecktem Weiß gestrichen, der weiße Kranzstuck sah aus wie eine skulpierte Meringe, die aus der Decke quoll. Die Zimmerdecke selbst war mit gelb-schwarz gestreifter Seide bespannt, in der Mitte war sie gerafft und mit einem breiten Ripsband zusammengebunden, an dem ein großer Kristalllüster hing. Es roch nach Verbene, Zitronenöl und Bienenwachs. In bronzenen Wandleuchten mit runden Glasschirmen brannten dicke gelbe Kerzen und beschienen die gerahmten Plakate mit der neuesten Pariser Mode. An der hinteren Wand, die mit ansprechenden bukolischen Szenen bemalt war, standen eine große verschlossene Kommode und noch ein Tisch, der gleiche wie der, an dem ich nun saß, mit vier weiteren Stühlen, alle aus Goldschnitzerei. Die Möbel waren sicherlich französisch, so zart wie Margot selbst, kleine Kunstwerke, die

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