Das Stockholm Oktavo
Blom!«
»Sehr wohl, Madame.« Johanna stand auf und ging zu dem Schrank, in dem sie die Stoffe abgelegt hat. Sie trug sie ins Zimmer und drapierte sie auf einem Fenstersitz, wo das Licht am besten war.
»Hat Ihnen Ihr Botengang in die Stadt gefallen?«
»Oh, Madame, die Stadt ist zauberhaft! Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum jemand woanders wohnen wollte.« Johanna war entzückt gewesen. Das Geschäft des Stoffhändlers war ein Meer aus Farben. Seidenstoffe quollen über die Verkaufstische, wogende Brokatfalten schoben sich in Wellen aus steifem Leinen, Flanell war zu Böschungen aufgestapelt, damit die Bänder nicht in den Fluten ertranken. Herr Stutén persönlich hatte Johanna am Ellbogen gehalten, damit sie nicht fiel.
»Sie werden noch oft in die Stadt kommen und die verschiedensten Dinge besorgen, Fräulein Blom«, sagte die Uzanne.
Johanna lächelte. »Es wäre mir ein Vergnügen, mich mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen.«
Die Uzanne wandte sich nun den zusammengefalteten Stoffen zu. »Welche drei würden Sie für eine äußerst verführerische Robe nehmen, Fräulein Blom?«
Zärtlich berührte Johanna jede der kerzengeraden Schnittkanten. Sie zog ein Grün heraus – ein Hauch Weidenblätter im Mai –, dann gestreifte Seide in der Farbe von Elfenbein und Rotkehlchenei und ein Perlmutterrosa, das zum Absatz der Schuhe passte, die sie gerade geputzt hatte. Die Uzanne betrachtete ihre Auswahl, nahm nacheinander die Stoffe und breitete sie auf dem Boden aus – ein Wasserfall aus Frühling und knospenden Blättern.
»Eine hübsche Zusammenstellung, Fräulein Blom. Sie spekulieren wohl schon auf das Frühjahr – dabei haben wir noch nicht einmal Winter – und auf meine Schuhe!« Johanna knickste anmutig, wie sie es in ihrem Zimmer geübt hatte. »Was meinen Sie, Fräulein Blom, wer hier im Haus könnte solche Farben tragen? Luisa?« Die Uzanne beobachtete Johanna genau, dabei fielen ihr die winzigen Bewegungen ihrer Stirn zwischen den Augenbrauen auf – das einzige Zeichen von Missmut.
»Nein, Madame. Luisa hat einen blässlichen Teint. Dem Küchenmädchen würden sie besser stehen, es hat eine Haut wie Eierschale.«
»Schon möglich«, meinte die Uzanne. »Wem sonst?« Johanna antwortete nicht. »Ich kann Ihre Gedanken hören, Fräulein Blom: Die Köchin ist alt und hat Hängebacken, die Mädchen in der Spülküche sind hässliche, pockennarbige Zwillinge, und die Magd, die täglich die Nachttöpfe und das Schmutzwasser leert, stinkt – der Geruch würde sich in den Stoff setzen und nie wieder verschwinden.« Johanna presste die Lippen zusammen, um nicht zu lachen. »Aber Sie, Sie könnten diese Farben tragen«, endete die Uzanne.
»Madame?« Johanna hob überrascht den Kopf.
Die Uzanne setzte sich an einen mit Intarsien verzierten Toilettentisch vor einen dreiteiligen vergoldeten Spiegel, damit sie das Gesicht des Mädchens sehen konnte. Vor ihr lag eine ganze Reihe Bürsten und Hornkämme, Haarschmuck mit Edelsteinen, da standen ein Alabasterkrug mit Pulver aus gemahlenen Cochenille-Läusen, mit dem sie ihre Lippen schminkte, ein Porzellantiegel mit Arsenpulver für ihren weißen Teint, eine Ampulle mit Belladonna, ein Kristallflakon mit Pariser Parfüm. Sie nahm ein Medaillon und klappte es auf – ein Miniaturbildnis ihres verstorbenen Gatten Henrik.
»Wir haben schon einmal über Ihre Kenntnisse in der Herstellung von Arzneien und Tinkturen gesprochen.«
»Ja! Meister Fredrik findet Linderung durch meine Tonika.«
»Ich vertrage kein starkes Tonikum, und mein Problem ist die Schlaflosigkeit, nicht der Alkohol.« Die Uzanne wartete auf eine Reaktion.
Johanna schielte auf das mäandernde Gewirr aus Stoffen auf dem gebohnerten Parkett. »Ich könnte ein Beruhigungsmittel herstellen, Madame, das Sie auf Ihr Kopfkissen streuen und einatmen, es wird die Luft parfümieren und Ihnen zugleich segensreichen Schlaf bringen. Mein Vater hat mir von einem solchen Mittel erzählt, die ägyptischen Pharaonen sollen es benutzt haben. Baldrian, Hopfen und Jasmin.«
»Die Pharaonen?« Die Augenbrauen der Uzanne schnellten nach oben vor Amüsement über dieses kluge Mädchen.
»Ich habe einen Apothekerkoffer, brauche aber mehr Zutaten und ein paar Arbeitsgeräte. Und einen Ort mit einer Hitzequelle, wo ich arbeiten kann.«
Die Uzanne stand auf und bedeutete Johanna, ihr zu folgen. Sie gingen über die Hintertreppe in die Kellerküche hinunter und gelangten in einen Raum, wo dampfend
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