Das Stockholm Oktavo
bestimmt ein Vermögen gekostet hatten.
Ich zog meinen scharlachroten Rock aus und hängte ihn über die Rückenlehne meines Stuhls, dann setzte ich mich und beobachtete die Passanten auf der Straße, meinen Quersack legte ich auf meinen Schoß. Bald schon kam Margot zurück, ein Lächeln auf ihren schönen Lippen und in der Hand ein Tablett mit einer Teekanne aus Porzellan, passenden Tassen und Untertellern, einer Platte mit knusprigen weißen Brötchen, einer Scheibe Pâté und ein paar Dreiecken würzigem Käse. Auch eine späte Pflaume lag glänzend wie ein seltener Edelstein auf dem Teller. Margot zündete die Lampen an und machte sich im Laden zu schaffen, während ich mir die Mahlzeit schmecken ließ. Erst als sie sich auf die Lippe biss, während ich mir die Frucht auf der Zunge zergehen ließ, wurde mir klar, dass ich wahrscheinlich gerade ihr Mittagessen verzehrt hatte. Aber die Franzosen sind nun einmal so charmant. Ich fühlte mich sowohl geschmeichelt als auch in ihrer Schuld und war mir unsicher, wie ich ihr nun sagen sollte, dass ich nur gekommen war, um ihrem Gatten einen Brief auszuhändigen.
»Sie sind wahrlich liebenswürdig, Madame. Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass ich hier bin, um …«
Margot hatte auf das Stichwort gewartet. »… für eine sehr spezielle Dame einen Fächer auszusuchen. Natürlich. Ein Fächer ist ein königliches Geschenk, mein Herr, ein Geschenk für eine Königin. Vielleicht haben Sie eine Dame, die für Sie Ihre Königin ist?« Ich ließ meine Gedanken kurz zu Carlotta schweifen, aber vielleicht wartete ja auch ein noch reizenderes Mädchen auf mich, und mein Oktavo würde mich zu ihm führen. Das ließ mich erröten, Margot lachte heiter. »Was wäre sie für eine Dame? Kokett? Gebildet? Schüchtern? Ich bin überzeugt, sie ist genauso bezaubernd und gutaussehend wie Sie, nicht wahr?«
Meine Wangen waren nun so rot wie ein Hahnenkamm, ich schüttelte den Kopf. Wieder lachte Margot und nahm einen Schlüssel, den sie an einem schwarzen Band um den Hals trug. Sie schloss die Kommode an der Wand auf, während sie die neue Mode, die neuen Farben und Formen erläuterte und dabei mit dem Finger die Reihe der Schubladen hinunterstrich. In der Mitte verharrte sie, zog eine Lade auf und holte ein halbes Dutzend Schachteln heraus, die sie an den Tisch brachte. »Hier einige unserer schönsten Exemplare für die neue Saison – Dreiviertelkreise
à la espagnole
. Sie sind auch ein paar Fingerbreit kürzer und dadurch leichter zu handhaben, und Ihre Freundin wird feststellen, dass die Botschaften, die sie Ihnen zu übermitteln wünscht, umso schneller zu Ihnen fliegen.«
Sie öffnete nacheinander die Schachteln und breitete den Inhalt vor mir aus. Fächer kannte ich nur aus der Ferne, und als ich diese duftig schönen, kunstvollen Stücke nun aus nächster Nähe sah, bekam ich fast Angst davor, sie anzufassen. Dabei hatte ich schon beobachtet, wie sie aufgeworfen, zugeklappt, weggelegt und mit einem wütenden Handgelenk gedreht worden waren.
»Bemerkenswert. Ich sehe, dass die Nordéns wirklich vollendete Künstler sind. Doch vor allem hat es mir ein Fächer im Schaufenster angetan – dunkelblau mit Pailletten.«
Sie zog kurz die Augenbrauen zusammen, dann glättete sich ihre Stirn wieder zu einem Lächeln. »Sie haben ganz offensichtlich einen erlesenen Geschmack, Sekretär. Wie schade, dass er schon versprochen ist. Er sollte gar nicht im Schaufenster liegen, aber ich konnte nicht anders – so ein wundervoller Fächer verdient es, gesehen zu werden.«
»Was macht ihn so wundervoll?«, fragte ich.
»Er stammt aus Frankreich, vom Ende des letzten Jahrhunderts. Aber er wurde sehr gepflegt, die Haut ist äußerst weich, das Blatt ohne Knicke, alle Elfenbeinstäbe sind intakt, die Glasperlen und Pailletten auf der Rückseite sind so exakt angeordnet wie auf einer Himmelskarte.«
»Warum befindet er sich dann in Ihrem Geschäft?« Ich war sehr neugierig, zu erfahren, ob Madame Sparv ihn verkauft hatte, denn in diesem Fall bekäme ich einen Anteil. Ansonsten würde Meister Fredrik Kassiopeia mittels irgendwelcher undurchsichtiger Tricks an sich nehmen, und ich müsste das Spiel mitspielen, um überhaupt etwas abzubekommen.
»Er wurde uns zur Reparatur gebracht.« Margot beugte sich zu mir vor und dämpfte ihre Stimme. »Ich möchte dieses kleine Geheimnis mit Ihnen teilen: In Wahrheit ging es um eine Umarbeitung. Der Kunde wünschte eine Neuanordnung der Pailletten. Ich
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