Das Stockholm Oktavo
Abschaum dieser Erde in eine ungeweihte Grube am Rullbacken werfen. Held! Ich spucke auf dieses Wort, und ich spucke auf den geistesgestörten König, der ihn befördert hat und der Witwe nichts hinterlässt. Möge sich Seine dämonenvögelnde Majestät bald zu ihrem Helden gesellen – erst in das totenschwarze Wasser des Meeres und dann in den bodenlosen, glühenden, beißenden Höllenschlund!« Sie spuckte auf die Stiefel des Hauptmanns, drehte sich um und ging durch den Eingang zur Treppe, während sie sich den Speichel von der Wange wischte. »Kommen Sie herein, meine Herren, und sehen Sie dem Heldentum Ihres Kameraden ins Gesicht. Ein hübsches Baby war meine Annika, zumindest bevor Ihr Held sie furchtbar zugerichtet hat, weil ich ihm nicht den Schwanz lutschen wollte.«
Die Männer gingen im Gänsemarsch zu dem weißen Sarg, der mit goldenen Sternen geschmückt war, und betrachteten die winzige Gestalt, die zwischen Myrte und Buchsbaumzweigen lag und deren Gesicht mit einem weißen Leinentuch bedeckt war. Sie nahmen keine Erfrischung zu sich, schweigend gingen sie wieder.
Anna Maria setzte sich auf die Vordertreppe, stützte ihren Kopf auf die Hände und summte vor sich hin, bis ihre Mutter sie holte, damit sie Abschied von ihrer Tochter nahm. Frauen gingen nämlich nicht auf den Friedhof. Das Kind sollte bei der Jakobskirche begraben werden, wo die Plomgrens das Glück gehabt hatten, einer Familie, die auch ein Kind verloren hatte, eine Viertelparzelle abkaufen zu können.
Herr Plomgren nagelte den Sarg zu und legte den Myrtenkranz auf den Deckel. Anna Maria stand auf und stellte sich daneben. »Hast du ihre Beine zusammengebunden?« Herr Plomgren nickte. Niemand wollte, dass die Toten wieder gehen können, auch wenn sie zuvor nicht einmal krabbeln konnten. »Und wie lag sie, Vater? Wo ist ihr Kopf?« Ihr Vater deutete auf das Ende, das ihm am nächsten lag, und Anna Maria schloss die Augen, erleichtert, dass er sich so sicher war. »Achte darauf, dass sie mit den Füßen voraus das Haus verlässt, Vater, sonst kommt sie zurück. Die Füße zuerst.« Er nickte, denn er wusste genau, welche Gespenster ein Haus heimsuchten, wenn ein Toter mit dem Kopf voraus hinausgetragen wurde: Man würde keine Ruhe finden, und auch ohne den Geist des Babys, das durch Gewalt gebrochen worden war, gab es schon genügend Probleme in diesem Haus. Es war genug zerbrochen worden.
Mutter Plomgren nahm ihre Tochter in den Arm. »Du wirst darüber hinwegkommen, mein Pfläumchen. Ich werde dafür sorgen, dass du wieder glücklich wirst.«
Vater Plomgren und ein Schneider aus dem Opernhaus trugen den Sarg, der leichter war als Staub und weiß wie Milch, auf ihren Schultern in den strahlend blauen Tag hinaus. Gemessenen Schrittes gingen sie am Schloss vorbei über die Insel Helgelandsholmen, dann über die Brücke und an der Oper vorbei zur Jakobskirche, wo sie das Kind der Erde übergaben. Es roch widerlich nach Verwesung, und die Männer hielten sich kleine Wacholderbouquets unter die Nase, während der Pfarrer das Totengebet sprach.
Das war vor zwei Jahren gewesen. Nun musste Anna Maria an ihre Zukunft denken.
Im zweiten Stock der Kostümschneiderei saß Anna Maria an einem Toilettentisch vor einem kleinen Spiegel. Sie nahm ein rundes Etui aus ihrer Tasche, holte den rotgefärbten Wattebausch heraus, spuckte darauf und zog ihre Lippen nach. Sie probierte verschiedene Mienen im Spiegel aus, bis sie sah, dass hinter ihr in der Tür ein Mann mit einer nachtblauen Schachtel stand und ihr Spiegelbild anstarrte. Sie betrachtete Lars kurz im Spiegel. Gute Figur, hübsches Gesicht. Er trug das Haar nach der neuesten Mode, seine Kleidung war elegant und gut geschnitten – blauer Wollrock und passende Hosen, weiße Strümpfe ohne Laufmaschen und Löcher, unter dem Arm eine vornehme Pelzmütze. Langsam stand sie auf und drehte sich um. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie und neigte lächelnd den Kopf.
Lars verneigte sich mit einer ausladenden Armbewegung, stellte die Schachtel auf einen Tisch in der Nähe und nahm ihre Hand zum Kuss. »Eine Lieferung, schönes Fräulein. Vom Atelier Nordén.«
»Herr Nordén? Sind Sie das?«, sagte sie geziert und überließ ihm ihre Hand ein paar Sekunden länger.
»Das bin ich«, sagte er mit einer Verbeugung. »Nordén der Hässliche.«
»Dann möchte ich mal den hübschen Nordén sehen, wenn Sie schon so angenehm anzusehen sind.«
»Der hübsche ist verheiratet, glücklich verheiratet,
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