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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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fürchte ich. Aber eine Kröte und eine Prinzessin sind auch ein schönes Paar.«
    »Ich bin keine Prinzessin, und eine Kröte hatte ich schon«, sagte Anna Maria. »Ihr Gift wurde erst vor kurzem wieder ausgespült. Ich suche also einen Prinzen. Aber wenn Sie so liebenswürdig wären, mir Ihren Taufnamen zu nennen, Herr Kröte …«
    »Lars, liebes Fräulein.«
    Anna Maria spürte, wie glühende Röte ihren Hals hinauf und in ihre Wangen kroch. Sie wollte sich zwingen, gelassen zu bleiben, schaffte es aber nicht. »Ich bin entzückt«, sagte sie und griff nach dem Päckchen, doch Lars nahm ihre Hand.
    »Dass Sie mir Ihren Vornamen noch nicht verraten haben, ist äußerst unfair.«
    Mutter Plomgren kam geschäftig herbei und wirkte angenehm überrascht. »Wen haben wir denn hier, mein Pfläumchen? Der Herr – wie können wir Ihnen weiterhelfen? Oh, Herr Nordén!«
    Widerwillig ließ Lars Anna Marias Hand los und nahm die der Mutter, um ihr einen Handkuss zu geben. »Ich sollte mein Paket zu Ihren sachverständigen Händen ausliefern, Frau Plomgren.«
    Sie schürzte die Lippen und kreischte auf. Sie zog ihre Hand zurück und umfasste sie mit der anderen. »Das Paket, ja, das Paket! Darin warten Raritäten!« Sie drückte es an ihre Brust wie eine Puppe und führte Lars und Anna Maria zu einem Werktisch am Fenster, wo sie gutes Licht hätten.
    »Wir warten schon ganz gespannt auf diese Schönheiten, nicht wahr, mein Pfläumchen? Herzog Karl hat sie speziell für diese Aufführung bestellt, auf Empfehlung einer sehr vornehmen Dame, die alles über Fächer weiß«, sagte sie leise. Vorsichtig nahm sie den Deckel ab und lugte hinein. Ein leichter Duft von Zitronenverbene stieg auf. Auf dem blauen Samtfutter lagen drei identische Schachteln, jede mit einem winzigen Glasstein verziert, der sie anblinzelte. Mutter Plomgren zwinkerte ihrer Tochter zu. »Komm, mein Schatz, und zeige Herrn Nordén deine Kunstfertigkeit!«
    Anna Maria wählte eine Schachtel, holte den Fächer heraus und wärmte ihn in der Hand. Er war prickelnd düster. Geschlossen sah er aus wie ein kleiner Krummsäbel, denn die Deckstäbe waren gebogen, liefen spitz zu und waren mit poliertem Blattsilber überzogen. In den Dorn war ein Granat eingefasst. »Ach, Mutter, ich vergaß – findet in dieser Oper denn ein Mord statt?«
    »In allen Opern gibt es Morde, Dummerchen, in allen«, schimpfte sie.
    Anna Maria öffnete den Fächer geräuschlos, Falte um Falte, ein Griff, den sie monatelang hatte üben müssen, bevor sie ihn beherrschte. Als sie die letzte Falte mit dem kleinen Finger aufgedrückt hatte, hielt sie das Blatt so, dass ihre Mutter es sehen konnte. Anna Maria blickte ihre Mutter an, sie war sich bewusst, dass Lars’ Augen auf ihr ruhten. Mutter Plomgren beugte sich zu dem Fächer vor, ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie stand vor etwas so filigran Gefertigtem, dass sie glänzende Augen bekam. »Genau, was wir uns vorgestellt hatten, Herr Nordén, ganz genau! Was meinst du, mein Pfläumchen?«
    Anna Maria hob den Fächer in Augenhöhe. Er war auf Alt gemacht und ließ sich auf volle hundertachtzig Grad öffnen. Die Stäbe waren aus Elfenbein, sie lagen eng aneinander und waren nur zu einem Viertel ihrer Länge zu sehen. Doch die Hauptsache war das Blatt, es war beidseitig bemalt, und die Rückseite sah aus wie ein Notenblatt mit silbernen Pailletten als Noten. Sie drehte den Fächer, um die Vorderseite zu betrachten, auf der eine Fratze aus verwittertem Stein dargestellt war. Der Mund stand schreckerfüllt offen, die Augen ovale Schlitze, die mit einem schwarzen Netz bedeckt waren – Gucklöcher, durch die man sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
    »Das ist ja die Fratze eines Monsters, Herr Nordén!« Für einen Moment verlor Anna Maria ihren kessen Charme.
    »Das ist eine der drei Erinnyen, der Hüterinnen des Hades, meine Liebe«, sagte Frau Plomgren. »Sollen wir uns das ganze Trio ansehen?«
    Anna Maria zog den Zwilling und den Drilling heraus und legte sie auf die Tischplatte. Nacheinander hob sie die Fächer hoch und öffnete sie, ohne dass sich ihre Hand zu bewegen schien, sie berührte die Falten und drehte am Stielring. »Der eine ist etwas schief, und der Dorn sitzt zu fest, er lässt sich also nicht so bewegen, wie ich es mir wünschte. Aber abgesehen davon, liegen sie gut in der Hand und haben eine elegante Größe.« Lars stand der Mund offen bei so viel Fachkenntnis. »Sagen Sie Ihrem hübschen Bruder, dass er ein

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