Das Stockholm Oktavo
sowie deren heranwachsende Töchter und Nichten kennen – nur Frauen mit stattlichem Vermögen gaben ihnen Aufträge. Und Margot würde sich sicherlich für mich einsetzen. Ich schrieb ihren vollen Namen in mein Diagramm, dahinter ein Ausrufezeichen. Sie würde wissen, wo die Plomgrens wohnten.
Der Gewinn verwirrte mich noch immer. Die Herren in der Loge waren bezüglich meiner Nachfrage nach ihren unverheirateten Töchtern argwöhnisch. Und keiner war auch nur im Entferntesten künstlerisch veranlagt. Ich würde Meister Fredrik fragen, immerhin war er zuständig als Lehrmeister.
Der Schlüssel. Mit dem Oktavo hatte Madame S. mir eine neue Welt eröffnet. Mit ihren Verbindungen zum König und mit dem Stammbaum meines Gefährten könnte ich mich höher hinaufschwingen, als ich es mir erträumt hatte. Genau wie die kleine Grå gesagt hatte: »Ein kleiner Schlüssel kann ein großes Tor öffnen.« Sie hatte die Schwelle bereits überschritten und war auf einem goldenen Weg. Und das wäre ich auch bald, dachte ich.
Kapitel 22
Eine Sprosse weiter auf der Leiter
Quellen: verschiedene, darunter L. Nordén, Herr und Frau Plomgren, G. Tavlan, die Rote Brita, zwei Schneider, ein nicht näher benannter Soldat, Nachbarn aus der Ferkens Gränd
Mutter Plomgren klatschte in die Hände. »Du musst lebhafter aussehen, mein Pfläumchen, lebhafter! Nächste Woche ist Premiere, und wir müssen ein überaus attraktives Trio einkleiden: einen Korporal, einen Mann aus dem Justizministerium und einen Sänger, der bei den Laternenanzündern auf der Südinsel arbeitet.« Sie kniff ihre Tochter in die Wange. »Trag ein bisschen Rouge auf, Süße. Den Lampenanzünder kannst du vergessen, aber die beiden anderen – vielleicht wollen sie mit ihren Kostümen auch eine Frau erobern, wer weiß?«
»Ich weiß es, und die Antwort ist eindeutig Nein!« Anna Maria krempelte die Ärmel hoch und steckte ihr Haar wieder fest. Das Opernhaus war kein Ort, wo man einen Bräutigam fand. Im Moment konnte sie die zerknitterten Hosen und die nackten Füße des Bühnenbildners Gösta Tavlan hinter dem großen hängenden Tropfen eines verzauberten Sees sehen; das gemalte Wasser zitterte jedes Mal, wenn er mit seinem Hintern dagegenstieß.
Ehe. Sie war schon einmal verheiratet gewesen, und es war nicht gutgegangen. Mutter Plomgren dachte wohl, das nächste Mal wäre alles anders.
Anna Maria arbeitete mit ihrer Mutter und ihrem Vater in der Kostümbildnerei des Opernhauses, sie nähten Kostüme und stellten kleine Requisiten her. Doch sie hatte sich auch die Fertigkeiten einer Schauspielerin angeeignet, indem sie die Sprechweise der Kunstförderer, Darsteller und der reichen Gäste in den Logen studiert hatte. Nichts weniger wünschte sie sich, als in Loge 3 auf dem oberen Rang zu sitzen, und sie wusste, dass diese Fertigkeiten der Schlüssel zu ihrem Aufstieg wären. Wenn sie erst allein in der Loge auf einem vergoldeten Stuhl mit weißem Brokatbezug säße, hoch über dem schwitzenden Pöbel im Parkett, der am Ende des ersten Aktes an die Bühne gedrängt wurde, würde sie huldvoll auf diese Leute herunterlächeln und eine Bemerkung fallenlassen, die kameradschaftlich und herablassend zugleich wäre. Ihre Garderobe wäre kein zusammengestückelter, gefärbter Theater-Tand, den man aus dem Nachlass einer Toten gekauft hatte. Sie wäre nur wenige Schritte vom König entfernt und würde dessen galante Aufmerksamkeit mit einem gut einstudierten Lächeln und einem huldigenden Knicks erwidern, der gewürzt wäre mit ihrem Hass.
In ihrer Jugend hatte Anna Maria geglaubt, sie könnte ihre Ziele auf konventionellem Wege mittels einer strategischen Liaison erreichen. Sie beobachtete aufmerksam die hübsche Tänzerin Sophie Hagman, die anmutig in die Arme des jüngsten Königsbruders Fredrik Adolf gestolpert war. Fräulein Hagman hatte ein perfektes Leben: eine luxuriöse Wohnung, eine mehr als ausreichende Apanage, und als Koryphäe war sie frei, mit Leuten aus allen gesellschaftlichen Schichten zu verkehren, von den Mitgliedern des Königshauses bis hin zu den Künstlern. Sie wurde geachtet, sogar bei Hof, ohne verheiratet sein zu müssen. Und darüber hinaus schien der fesche Herzog Fredrik sie auch wirklich zu lieben – in jeder Hinsicht ein ideales Arrangement. Obwohl sich das Defilee möglicher Amouren, die durch die prunkvollen Türen des Opernhauses kamen und gingen, berauschend ausnahm, war es Anna Marias Pech, dass sich keiner für mehr als eine
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