Das Stockholm Oktavo
diesem Ereignis so wohl zu erscheinen, aber sie war einfach hübsch und konnte es nicht ändern.
»Arbeit ist ein Heilmittel, mein Pfläumchen, ehrliche Arbeit.« Mutter Plomgren berührte sie zärtlich am Arm. »Geh zum Wagen auf dem Platz frisches Wasser holen. Das Hausmädchen ist beim Bäcker, und wir erwarten eine Menge ausgetrocknete Kehlen.«
Anna Maria nickte, stand auf und holte die Eimer aus dem Garten hinter dem Haus. Nachdem sie so lange in den dunklen Zimmern gesessen hatte, musste sie die Augen im hellen Licht zusammenkneifen. Die Hennen rannten gackernd vor einer Katze weg, und sie konnte sehen, dass ein, zwei Nachbarn sie hinter ihren Vorhängen beobachteten. Trotzig und mit geballten Fäusten blickte sie zu ihnen hinauf. Sie nahm das Joch und die Eimer und ging den kurzen Weg zum Köpmantorget, wo das Leben seinen üblichen Lauf nahm. Draußen an Tischen saß eine Gruppe Soldaten und trank Bier. Sie lachten und sangen, froh, zu Hause zu sein, bis einer auf Anna Maria aufmerksam wurde.
»Frau Wallander!«, rief er ihr zu. Mit gesenktem Kopf schlurfte sie weiter und füllte ihre Eimer am Wasserwagen.
»Frau Wallander?«, rief er lauter.
Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als hörte sie es nicht. Sie spürte, wie brennende Wut sie überkam, zwang sich aber, so kühl zu sein wie die Steine unter ihren Füßen. »Wenn Sie mich meinen, ich bin jetzt wieder Fräulein Plomgren und nicht mehr Frau Wallander. Aber ich kannte sie. Und sie sagt, Sie sollten dem Mann dieses Namens sagen, dass er eine Missgeburt und Ausgeburt des Teufels ist und sein syphilisgetränkter Schwanz der Peststab des Satans. Soll er in der Hölle verrotten und wieder und wieder eins auf den Schädel kriegen!« Sie spuckte aus und wartete, denn diese Männer würden Luzifer persönlich verteidigen, wenn er ihre Regimentsfarben trug. Doch als Antwort kam nur der Schrei einer Möwe am Himmel und eine Bö, die in die Kleider fuhr, die in der Gasse hingen. Anna Maria spürte die Schweißtropfen auf ihren Brauen, sie fühlte sich zum ersten Mal seit Tagen wieder lebendig.
Ein Mann erhob sich, ein fleischiger Hauptmann, dessen Uniform nass war vom Bier. Er beugte linkisch den Kopf.
»Sie sollten besser nicht so von ihm sprechen, Frau … Fräulein Wall…gren. Hauptmann Wallander ist tot, aber er ist als Held gefallen. Der König hat ihm den Majorstitel verliehen. Wir trinken jetzt auf ihn, danach wollten wir zu Ihnen kommen mit der Nachricht und den Insignien, die er um so einen hohen Preis gewonnen hat.«
»Mich interessiert nur seine Pension.«
Der Hauptmann sah auf seine Stiefel. »Vielleicht wenn wieder Pensionen ausbezahlt werden. Das Geld für so einen Luxus ist im Finnischen Meerbusen versunken, wo auch Ihr Held nun liegt.«
»Und kein Skilling für mich? Nicht mal seine Silberknöpfe?« Sonne und Hitze und die schreiende Möwe, die entzweigehackten Tannenbäume, die großen Safranbrezeln, die sich kringelten und ineinanderwanden wie eine liegende Acht, das Porzellan, der Weinbrand, den sie zum Frühstück getrunken hatte – all das zusammen brachte Anna Maria zum Lachen. Das Lachen einer fürchterlichen Hexe oder eines Trolls, der als Schönheit verkleidet war, das Lachen derer am Ende der Welt. »›Held‹, sagen Sie? Held? Eiterbeulen an einem Heldenarschloch!« Sie stellte die Eimer ab, lief zu dem betrunkenen Hauptmann, packte seine Hand und zerrte ihn hinter sich her. »Sie müssen jetzt alle in sein Haus kommen und dort die großartige Nachricht überbringen. Wir warten mit Erfrischungen und einem Willkommensgruß auf, es ist ein kühler, schattiger Ort, wo man rasten und von seiner Tapferkeit im Feld berichten kann. Und dann werde ich seine Heldentaten im Schoß der Familie schildern.«
Die Männer standen auf und folgten ihr nüchtern und wachsam. Einer nahm die Eimer. Anna Maria bog an der Spitze des Zugs um die Ecke und blieb vor den herabhängenden Tannen stehen, der Eingang war voller Trauergäste. »Hier ist Hauptmann Wallanders Teufelswerk!«, sagte sie und deutete mit wedelnder Hand zum oberen Stockwerk hinauf. »Seine kleine Tochter, der er, bevor er in den heldenhaften Krieg zog, mit seiner rasenden Hand den Schädel eingeschlagen hat, und dann hat er es mir überlassen, sie über Monate in den Himmel zu wiegen.« Sie drehte sich zu den Matrosen vor der Tür um. »Wenn er nicht schon tot wäre, würde ich ihn am Järntorget auspeitschen, an einem Spieß im Kungsträdgården rösten und dann zum restlichen
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