Das Stockholm Oktavo
uns beide, Herr Larsson.« Meister Fredrik hatte mich in seiner Schreibstube empfangen, eine seltene Intimität, und stellte mich seiner Gattin als seinen Logenbruder vor. Als ich kam, wirkte er atemlos und zerzaust, und als ich ihn darauf ansprach, behauptete er, er sei in seine Arbeit immer »total versunken«. Ich hatte mehr Finesse in seiner Schreibstube erwartet, aber die einzigen Gegenstände, die ihn als seriösen Geschäftsmann auswiesen, waren ein hübscher Spiegel in einem verzierten Goldrahmen gegenüber seinem Schreibpult und daneben ein großer, geschlossener Schrank. In den Einbauregalen standen ordentlich aufgereiht Schachteln mit feinem Papier, Tintenfässer, Stifte, Federkiele, Messer, Siegelwachs in allen Farben, Falzbeine und andere Gerätschaften seines Berufsstandes. Es roch leicht nach Eau de Lavande.
»Ich bin überzeugt, Sie werden für Madame eine unschätzbare Bereicherung sein. Ich werde dafür sorgen, dass Sie geziemend vorgestellt werden, aber lassen Sie zuerst mich reden, um den Weg zu ebnen.« Seufzend lehnte er sich an sein Pult. »Sie ist wie die Sommersonne am Firmament, ja, ich verstehe also Ihre Angst, in ihrem Glanz zu verbrennen. Aber Sie müssen keine Angst haben, Herr Larsson, ich bin Ihr himmlischer Führer.« Er nahm ein Messer aus einer Schublade und eine lange weiße Feder zur Hand und begann den Kiel zu spitzen. »Habe ich Ihnen schon erzählt, dass Madame meinen Vorschlag angenommen hat, in ihrer ersten Stunde unter der Leitung unseres Bruders Sirius Licht in die geheimnisvolle Geometrie des Fächers zu bringen?« Er fing meinen irritierten Blick auf – ich konnte mir die Aliasse unserer Logenbrüder einfach nicht merken, schrecklich! Er verdrehte die Augen über meine Unwissenheit. »Sirius ist Herr Nordén aus der Kocksgränd, ein Künstler des Fächergewerbes und ein Bruder dritten oder vierten Grades. Ziemlich kultiviert. Aber dass ein Geschäftsmann Madames Kolloquium leitet – ist das nicht gewagt? Ja! Entspricht das nicht dem Geist der Zeit? Doch! Meinen Sie, die versammelten jungen Damen ahnen etwas von seiner Belesenheit? Nein! Sie erwarten die Sprache des Fächers – Eros und Aphrodite –, aber Madame hat Athene und Apollo im Auge. Das sollte unseren Eifer nur noch anspornen.« Ich gab zu, dass ich für den Anlass neue Kleider gekauft hatte. »Und der Gipfel – sehr wahrscheinlich wird auch Karten gespielt!«
»Ein Leckerbissen nach dem anderen!«
»Genau. Die jungen Geschöpfe können doch nicht den ganzen Nachmittag nur lernen. Und es wird hohe Einsätze geben. Diese Mädchen haben breite Ärsche und dicke Taschen.« Meister Fredrik langte über das Pult und kitzelte mich mit der Feder unterm Kinn. »Und Madame richtet einen Tisch so, wie Menschen Ihres Standes es noch nie gesehen haben.« Er bot an, mich im Schlitten mit nach Gullenborg zu nehmen. Das war ein erster Schultag, der seinesgleichen nicht hatte.
Kapitel 25
Dünnes Eis
Quellen: verschiedene, hauptsächlich M. Norden, Luisa G.
Drei Nordéns und zwei Plomgrens zwängten sich in den Mietschlitten zur Fahrt nach Gullenborg. Der Himmel war strahlend blau, eine Schicht Pulverschnee überzog die Landschaft mit pudrigem Weiß. Vor zwei Wochen war das Wetter umgeschlagen, und das Eis des Mälarsees war nun dick wie ein Pferdekopf. Eigentlich fuhr Christian lieber über Land. Die winterliche Angewohnheit, zugefrorene Wasserwege zu nehmen, schreckte ihn, doch wegen der ausgedehnten Vorbereitungen der Damen waren sie spät dran, und der schnellste Weg führte über den See. Einmal scheuten die Pferde, Christian und die Damen schrien vor Angst auf, als das Eis wegen einer unsichtbaren Woge unter der Oberfläche ein unheimliches Knacken von sich gab. Lars lachte. Die Geschichten des Kutschers über die im vergangenen Winter samt Pferden und Kutschen Ertrunkenen waren auch nicht gerade hilfreich. Margot hielt Christians Hand, und sie lenkten sich ab, indem sie Lieder im Takt der Schlittenglöckchen sangen. Und als auch das nicht half, fragte Anna Maria:
»Warum üben Sie Ihren Vortrag denn nicht vor uns, Herr Nordén?«
»Ja, das sollte ich vielleicht.« Christians Augen waren fest geschlossen. »Ich gebe einen Überblick über die geometrischen Muster des Fächers, angefangen beim Kreis, und er erfordert mathematische …«
»Herr Nordén, mit Verlaub, aber junge Damen interessieren sich nicht für Mathematik«, sagte Anna Maria.
Margot fühlte sich vor den Kopf geschlagen von Anna Marias
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