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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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die geliehenen Kleider und die linkische Hetze für einen Besuch bei den Reichen sehr gut. »Die Tür, Luisa, der Fächerhersteller ist da!«, rief sie. Sie glättete ihr Haar vor dem unebenen Glas des Spiegels und zupfte eine silberne Strähne vom Scheitel. Dann öffnete sie ihren Fächer und stellte sich am eindrucksvollsten Punkt im Raum auf.
    Christian verbeugte sich tief, um die Röte auf seinen Wangen zu kaschieren. Das dunkle Haar der Uzanne war voll, es lockte sich am Scheitel und wurde von einem glitzernden Kamm gehalten, der aussah, als würde er gleich herausfallen. Ihr Kleid war aus Seide mit aufgenähten Brokat-Rosetten und von einem ganz speziellen Hellgrün, wie es manchmal bei Sonnenuntergang am Horizont zu sehen war. Das Oberteil war tief ausgeschnitten, es lag eng an und war mit rauchgrau gefärbten Spitzenbändern gesäumt. Die Dreiviertelärmel brachten die schlanken Arme der Uzanne schön zur Geltung, dieselbe graue Spitze reichte fast bis an die Handgelenke. Ihre Hände waren perfekt gepflegt – die Nägel rosa und poliert, die Finger so ausgestreckt, dass man es sah. In der linken Hand spielte sie mit einem offenen Fächer, was bedeutete, dass der Mann sie ansprechen durfte.
    »Madame, es ist mir eine Ehre, bei Ihnen zu sein.« Christian wollte ihr die Hand küssen, aber als er seine trockenen Lippen aufdrücken wollte, entzog die Uzanne sie ihm sanft. Er straffte sich. »Ich war mir sicher, nur Sie können den goldenen Halbkreisfächer mit solcher Raffinesse handhaben.«
    Die Uzanne nickte geschmeichelt. »Ein perfektes Geschenk, Monsieur Nordén. Ich mag einen kurzen Stiel, und das breite Blatt mit den ausgestanzten Rosen erinnert mich an einen üppig blühenden Garten. Es ist ein Sommerfächer, aber er wird auch im Winter einen Raum wärmen. Ich habe ihn auf einen Namen getauft, den ich nur ungern laut ausspreche.« Christian machte den Mund auf und wollte etwas sagen, aber sie fuhr fort: »Wenn Sie nun bitte im Dienstbotenflur warten würden, bis die jungen Damen hier sind, Monsieur Nordén.«
    Christians Gesicht wurde heiß, er verbeugte sich so tief, dass seine Nase fast seine Knie berührte. In dieser Haltung verharrte er, bis ihre Schritte nur noch als fernes Klacken zu hören waren.
    Luisa führte ihn durch eine Holztür in der getäfelten Wand in einen Flur mit einem einzigen schmalen Holzstuhl. Es roch nach Holzteer und toten Mäusen, und in der nächsten halben Stunde war es bis auf eilige Schritte ganz still in dem hochherrschaftlichen Haus.

Kapitel 26

Die Geometrie des Körpers
    Quellen: E. L., verschiedene Gäste und Bedienstete auf Gullenborg, M. Nordén, L. Nordén, J. Blom, Leutnant R. J., Herr V., M. F. L., Frau Bok
    Meister Fredrik und ich kamen pünktlich um ein Uhr. Er schob Geschäfte vor, versicherte mir aber, er kenne den perfekten Zeitpunkt, um mich vorzustellen. Ich sagte ihm, er solle sich meinetwegen keine Umstände machen, und stellte mich in eine Ecke, um alles zu beobachten. Ich gebe zu, Gullenborg war eine einschüchternde Kulisse. Durch die Nord- und Westfenster warf die Sonne träge Rechtecke aufs Parkett. Das Kerzenlicht schimmerte in den verspiegelten Wandleuchten und in dem großen Kristalllüster, der in der Mitte des Salons hing. Als Grüppchen junger Damen hereinrauschten, verwandelte sich der in gedecktem Grau gehaltene Raum binnen weniger Minuten in einen flirrend bunten Garten. Ihre züchtigen Kleider waren wie ein raffinierter pastellfarbener Blumenstrauß, der berauschende Duft ihrer leichten Parfüms und ihrer jungen Leiber erfüllte die Luft. Sie plauderten und tuschelten und trugen ihre Kleider zur Schau. Alle außer einer jungen Frau: Sie trug ein elegantes spangrünes Brokatkleid mit weinroten Borten, es war ihr ein wenig zu weit, als hätte sie es sich überstürzt von einer älteren Schwester ausgeborgt, denn sie war schlank und zierlich. Sie stand ein Stück abseits und sprach mit niemandem, beobachtete aber neugierig die umherschwirrenden Debütantinnen, die im Vergleich zu ihrer faszinierenden Erscheinung naiv wirkten. Sie drehte sich in meine Richtung – ihre Alabasterhaut war der Stoff für Gemälde und Gedichte. Doch dann stieg rosige Röte in ihre Wangen, und ihre Augen weiteten sich, als sie mich erblickte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich sie schon einmal gesehen hatte. Ich fand Meister Fredrik, der mit irgendeinem Durcheinander in Bezug auf die Visitenkarten der Gäste beschäftigt war, und fragte ihn, ob er ihren

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