Das Stockholm Oktavo
Schroffheit, ließ sich aber nichts anmerken. »Und welches Thema würden Sie vorschlagen, Fräulein Plomgren?«
»In Bezug auf den Gebrauch des Faltfächers gibt es nur ein Thema.«
»Sie meinen die Liebe?«, fragte Margot nach.
»Nein, Madame Nordén, das Fallenstellen.«
»Und was ist mit der Schönheit?« Christian vergaß für einen Moment das Eis. »Glück? Kunst?«
»Das sind die Elemente des Fächers, nicht aber sein Zweck«, antwortete Anna Maria.
»Ich dachte, man will damit Fliegen verscheuchen«, sagte Lars.
Mutter Plomgren tat so, als wollte sie ihm einen Klaps auf den Kopf geben. »Von allen hier sind Sie der praktisch veranlagte Typ.«
Vor Gullenborgs ehrfurchtgebietender Pracht kam der Schlitten gleitend zum Stehen. Steinpfeiler mit Fackeln säumten die Treppenflucht, die vom Seeufer zum Anwesen führte, brennende Laternen sanken in die verschneiten Böschungen am Weg, der, von jeder Spur des Winters befreit, mit frischgerechtem rosafarbenem Kies bedeckt war.
»Als Ehrengast gehen Sie besser zum Vordereingang, Herr Nordén. Wir ungeladenen Gäste müssen von hinten kommen und hoffen, dass man uns Platz anbietet. Komm, mein Pfläumchen, komm, aber Obacht vor dem Eis!«, sagte Mutter Plomgren heiter und winkte den anderen zu, ihr zu folgen.
Christian ging an den Laternen vorbei zum Haupteingang und zögerte kurz, bevor er den Messingklopfer betätigte. Er tätschelte seinen Beutel und sandte ein Dankgebet an seinen Logenbruder Meister Fredrik in den Himmel. Der Meister hatte ihm nicht nur diesen Besuch ermöglicht, sondern ihm auch geraten, sich förmlich in einem Brief vorzustellen und seiner Gastgeberin zu danken. Das erfülle viele Aufgaben, hatte Meister Fredrik gesagt: Es ehrt Madame Uzanne, und Huldigung ist ihr wichtiger als alles andere; die jungen Damen, die vielleicht die ganze Zeit schlummern oder schwatzen, erfahren etwas über ihn, und die angegebene Adresse seines Geschäfts wird Kundschaft bringen. Meister Fredrik war sowohl Praktiker als auch Künstler, eine doppelte Qualität, die man bei einem Normalsterblichen selten fand. Er hatte zwei Dutzend Briefe in einer einfachen Handschrift auf normalem weißen Papier verfasst.
Ein Vortrag über die Geometrie des Fächers von Christian Nordén Kocksgränd, Nordinsel, Stockholm am 16 . Dezember 1791 . Gewidmet der Baroness Kristina Elisabeth Luisa Uzanne, inspiriert vom Fächer-Orden, gegründet von Ihrer Königlichen Hoheit Lovisa Ulrika im Jahr 1744 .
Sehr verehrte Damen,
die anwesende Gesellschaft hat das Glück, von dem unvergleichlichen Sachverstand der Madame Uzanne durch deren persönliche Unterweisung zu lernen. Ein Glücksfall in der Tat! Eine charmante Gastgeberin, elegante Schönheit, geschätzte Hofdame, eine der weltweit größten Expertinnen und Sammlerinnen von Faltfächern. Ich will mich bemühen, mich als würdiger Lehrer zu erweisen.
C. N., Fächerhersteller
Christian hob den Türklopfer und ließ ihn auf das Holz fallen.
»Dieser Raum sieht wahrlich aus wie eine Gruft.« Die Worte der Uzanne hallten im leeren Salon wider, und Luisa, ihr Mädchen, zündete umgehend Wandleuchten und Kachelöfen an. Die Uzanne hatte ihren Unterricht zu einem Zeitpunkt anberaumt, da das Licht genau dann einfallen würde, wenn sie es brauchte, aber im Moment war die Sonne noch nicht um das Haus herumgekommen, und bei jedem Atemzug bildete sich ein frostiges Wölkchen. Die Uzanne prüfte die zehn weißlackierten Tische mit den anmutig geschnitzten Beinen an jedem standen vier Stühle mit runder Rückenlehne. Für die unvermeidlichen Ungeladenen, die unbedingt kommen wollten, säumten zusätzliche Stühle und Bänke mit Kissen den Raum. Hier könnten es sich die Gäste beim Vortrag bequem machen und danach nahtlos zu Erfrischungen und an die Spieltische zu Faro oder Boston Whist schreiten. Seit dem Sommer hatte die Dienerschaft Madames schwunghaft gestiegenes Interesse an Karten bemerkt – endlose Partien und Privatstunden bei zweifelhaften Subjekten dauerten bis weit in die Nacht. »Das ist gut für die Mädchen, denn mit Karten muss man so vorsichtig umgehen wie mit einem Fächer«, hatte die Uzanne zu Johanna gesagt.
Eine Magd eilte mit Eimer und Bürste herbei, um die Eingangshalle ein letztes Mal zu schrubben, sie blieb stehen und knickste, wurde aber weitergewinkt. Die Uzanne erblickte einen Mann, der seinen schlechtsitzenden, aber vornehmen Rock nervös glatt strich, während er sich dem Eingang näherte. Sie kannte
Weitere Kostenlose Bücher