Das Stockholm Oktavo
Namen kenne. »Sie sieht jemandem, den ich letztes Frühjahr in einer Schänke aufs Skeppsholmen kennengelernt habe, verblüffend ähnlich.«
»Das kann nicht sein, Herr Larsson.« Er steckte eine Handvoll besagter Karten ein. »Sie stammt aus dem hohen Norden, aus einer Adelsfamilie mit bedeutendem Stammbaum. Sie heißt Johanna Blom.«
»Blom? Sind Sie sicher?«
»Zweifeln Sie daran?« Master Fredrik warf mir einen warnenden Blick zu. »Fräulein Blom ist Madames neueste Protegée. Ich selbst habe ihr die junge Dame vermittelt.«
»Dann habe ich sie auf Riddarholmen in der Nähe der Regeringsgatan gesehen. Da bin ich mir sicher.«
»Nun, das ist möglich.« Er dämpfte seine Stimme ein wenig: »Madame schickt sie gelegentlich in die Stadt, damit sie sich unter die Bürgerschaft mischt. Sie bildet Fräulein Blom zu einem speziellen Zweck aus. Es überrascht mich nicht, dass Sie sich zu ihr hingezogen fühlen. Die alte Köchin hält sie für eine Hexe, und Madame ist natürlich hingerissen.«
Das Gefühl, dieses Mädchen zu kennen, das meinem Gefährten dann auch noch nahestand, verursachte mir ein Kribbeln im Nacken. »Vielleicht können Sie uns einander vorstellen«, sagte ich.
Er legte mir väterlich den Arm um die Schultern und führte mich von Johanna weg. »Ich werde mich erkundigen, aber Madame behütet ihre Begleiterinnen streng. Sie scheut keine Mühen, wenn es darum geht, einen passenden Partner für sie zu finden – sollten Sie
daran
gedacht haben. Und es ist durchaus kein schlechter Gedanke, Herr Larsson. Mir gefällt Ihr Ehrgeiz«, sagte er und drückte mich ein wenig zu fest. »Aber ohne Madames Zustimmung dürfen Sie Fräulein Blom nicht in Versuchung führen. Wehe ihr! Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie eine Begleiterin, ein wundervolles Geschöpf, das dann … Oh, Madame ruft. Ich werde Ihnen die aufreizenden Einzelheiten später schildern.«
»Ich freue mich darauf«, sagte ich. Natürlich sprach er von Carlotta. Ich spürte, wie ich erst die Fäuste ballte und die Arme dann schlaff hängen ließ. Die Zeit, in der ich ihre Ehre verteidigt hätte, war längst vorbei, und ich hatte gehört, dass sie verliebt und glückselig sei. Und das in Finnland! Obwohl mir klar war, dass Carlotta nicht Teil meines Oktavos war, wanderten meine Gedanken zu den Acht. Ich musste Positionen füllen und ein bedeutsames Ereignis vorantreiben. Madame Sparv hatte gesagt, dass die Acht sich um die Uzanne scharen würden, und eine ansehnliche Zahl der nobelsten Gesellschaft der Stadt hatte sich nun hier versammelt. In den Strudel der mannbaren jungen Damen mischten sich ein paar Mütter und Anstandsdamen in dunkleren Kleidern und mindestens ein Dutzend Herren sowie noch einmal so viele Offiziere, die man aus Herzog Karls Regiment »geliehen« hatte, um die Mädchen anzulocken. Die Uzanne hatte ihnen noch einen Zirkel französischer Schauspieler aus dem Bollhuset zugesellt, die zuverlässig Faszination ausüben und charmante Konversation betreiben sollten, sowie ein paar russische Diplomaten, von denen sie die neuesten Pläne Katharinas der Großen in Bezug auf Schweden erfahren würde.
An der entferntesten Tür der Eingangshalle standen ein paar Leute, die nicht zu wissen schienen, was sie nun tun sollten. Es dauerte kurz, bis ich sie erkannte, so, wie man auch nicht gleich die Fischhändlerfamilie beim Ballett erkennt: Margot Nordén, der hübsche Nordén-Bruder und die Damen Plomgren. Margot sah müde und nervös aus, von ihrem Mann war nichts zu sehen. Der Bruder hingegen ähnelte in seinem roten Jackett und mit den glänzenden Augen einem umherstolzierenden Hahn. Meister Fredrik hatte den Nordéns bestimmt diesen saftigen Knochen vorgeworfen – warum die Plomgrens hier waren, war mir allerdings ein Rätsel. Die wundervolle Anna Maria wirkte schüchtern und verloren in dieser berauschenden Gesellschaft, ihre Mutter nahm sie bei jeder Bewegung am Arm. Ich spürte einen inneren Nasenstüber: der Gefangene. Mein Oktavo war im Begriff, hier zusammenzukommen.
Man hörte das scharfe Zischen eines aufgeklappten Fächers. Alle Augen richteten sich auf die Uzanne; ihre schlanke, grüne Silhouette zeichnete sich deutlich vor den grauen Wänden ab. »Seien Sie herzlich willkommen, Schülerinnen und verehrte Gäste. Bitte setzen Sie sich.« Die Menge strömte zu den Sitzgelegenheiten, die Ehrgeizigsten drängten sich um die vordersten Plätze. Die Nordén-Claqueure besetzten wohlweislich eine Bank neben den
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