Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
Vom Netzwerk:
Rundbogentüren und überließen die Tische den geladenen Gästen. Meister Fredrik kam wieder zu mir, und wir fanden Platz bei den Schauspielern an einem Tisch, der für Herren reserviert war. Im Raum wurde es still, bis auf das stete Flattern eines Dutzends Fächer. Die Stimme der Uzanne umfloss uns wie warmer Honig, sie wies auf die jungen Damen aus allen Gesellschaftsschichten hin, machte deren Anstandsdamen Komplimente und zollte den tapferen Offizieren und distinguierten Herren ihre Ehrerbietung. Dann dankte sie den Überraschungsgästen, die der Versammlung erst ihre Würze verliehen. Margot saß zusammengekauert da, es war klar, dass die Gruppe um die Nordéns unerwartet gekommen war. »Ganz besonders geehrt fühle ich mich von General Pechlins Erscheinen«, sagte die Uzanne. Die Anstandsbegleiter und die Soldaten nickten und klatschten, angetan von der Anwesenheit des berühmten Politikers, die Mädchen sahen ihn nicht einmal an, sie hätten gar nicht gewusst, wieso. »Ich hoffe, dass der General unsere Lektion nicht … ermüdend findet. Aber Sie haben sich mir gegenüber dahingehend geäußert, dass Sie die Waffen der Damen mangelhaft finden.«
    »Unser gemeinsamer Freund Herzog Karl bestand darauf, dass ich meine Meinung überdenke«, sagte Pechlin.
    »Dann lassen Sie uns nun beginnen.« Die Uzanne schloss ihren Fächer zu einem goldenen Stab. »Die erste Bewegung, die Sie lernen müssen, ist die Bedeutung des Öffnens des Fächers.«
    Heiterkeit kam auf, als die jungen Damen aufstanden und das Öffnen und Schließen des Fächers übten. Unterdrücktes Kichern und frustrierte Ausrufe ertönten, als die Uzanne um sie herumging, zusah, korrigierte oder Komplimente machte. Die Mädchen waren bezaubernd, es gab sie in allen Farben und Formen – wie die Auslagen im Modegeschäft zum Kronjubiläum. Ich sah, wie Johanna sich unter die Mädchen mischte und wenig geschmeidig mit ihrem Fächer übte. Die arme Anna Maria klebte an der Seite ihrer Mutter, bewacht von Bruder Nordén, sie hatte ihren Fächer erst gar nicht geöffnet. Die Uzanne blieb stehen und sprach mit den Begleitpersonen, ihre Gesichter glühten von der herzlichen Aufmerksamkeit, die sie ihnen schenkte. Während der Übungen wurden an den Herrentischen Getränke gereicht, es gab lebhafte Gespräche, die sich um den neuen Reichsrat und den schlimmen Zustand der Nation drehten. Ein Klatschen mit dem Fächer brachte wieder Ruhe in den Raum.
    »Setzen Sie sich, meine Damen.« Die Uzanne schien zufrieden mit dem promptem Gehorsam ihrer Schülerinnen, aber nicht so zufrieden, dass sie ihnen eine Pause gegönnt hätte. »Sie müssen begreifen, dass jede Bewegung eine bestimmte Form ergibt und jede Form eine bestimmte Bedeutung hat. Diese Details im Kopf zu behalten ist der erste Schritt auf dem Weg zur Meisterschaft. Und nun beehrt uns Herr Christian Nordén mit seinem heutigen Vortrag.«
    Beim Wort »Vortrag« wurden die Gesichter lang, das leise Seufzen und Schlagen der Fächer klang wie eine verebbende Welle des Protests, die über die Bodendielen floss und unter dem donnernden Applaus kaum zu hören war. Mit einem plötzlichen lauten Luftzug öffnete ein Hausmädchen eine Tür in der holzgetäfelten hinteren Wand des Salons und bat jemanden in den Raum. Ein eleganter Mann in den besten Jahren kam herein, trat vor das Publikum und legte einen Stapel Papier auf einen Stuhl neben sich. Ich konnte sehen, dass der Rücken seines flaschengrünen Jacketts Schweißflecken hatte. Er wartete darauf, dass Madame ihm das Zeichen gab, zu beginnen, stattdessen wandte sie sich mit krauser Stirn an ihn.
    »Jüngst war ich an einer erhitzten Diskussion beteiligt, Herr Nordén, und ich hoffe, Sie können diesen Streit schlichten.« Christian verbeugte sich und wartete. »Ich glaube, dass der Gebrauch des Fächers Wissen und eingehendes Studium voraussetzt. Selbst sein Grundwortschatz besteht aus streng geregelten Bewegungen, sodass Damen und Herren ihn gleichermaßen verstehen. Aber meine Freundin Frau Bok meint, dass man mit einem Fächer genauso leicht wedeln kann, wenn man die fluiden Grundsätze der Inspiration anwendet. Wie ist Ihre Meinung dazu?«
    Ich beugte mich zu Meister Fredrik hinüber. »Wer ist Frau Bok?«
    »Sie arbeitet im Haus der Herzogin, für Karls Frau«, flüsterte er wissend. »Das Pickelgesicht da drüben im lavendelblauen Kleid ist ihre Tochter.«
    »Die Boks haben offensichtlich andere Ziele, als Anmut und Schönheit zu verbreiten.«
    »Die

Weitere Kostenlose Bücher