Das Stonehenge - Ritual
würde die Armee das sicher selbst erledigen. Zu den einfachen Mauerarbeiten könnten sie die Soldaten verpflichten, und ein paar Bretter auf Türen und Fenster bekämen sie auch noch hin.«
Megan überlegt. Falls Gideon noch immer nicht aufgetaucht ist, könnte er durchaus irgendwo in Imber festgehalten werden, und Caitlyn Lock womöglich auch. »Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll, Jimmy. Tompkins brauche ich im Moment nicht damit zu kommen, und Ihr alter Herr und der Chef wollen mich nach Swindon versetzen.«
»Was?«
»Ich werde kaltgestellt. Aufs Abstellgleis geschoben. Das ist eine lange Geschichte. Wie stellen wir es an, uns in Imber umzusehen, ohne dass jemand etwas davon mitbekommt?«
»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen.« Er lächelt sie selbstbewusst an. »Ich habe sogar schon jemanden dabei, der uns helfen kann. Er wartet in meinem Wagen.«
141
Die Kammer, die sie ihm inzwischen zugewiesen haben, ist viel größer als seine letzte. Etwa sechs Meter lang und vier Meter breit, würde er sagen – verglichen mit der Streichholzschachtel, in die sie ihn bisher gesperrt hatten, ein richtiges Penthaus. Trotzdem handelt es sich immer noch um eine Zelle.
Die Tür ist offen, aber von zwei Spähern flankiert. Den einen hat Gideon schon einmal mit Draco zusammen gesehen. Im Inneren der Kammer sind hoch oben an allen vier Wänden brennende Fackeln angebracht. Auf dem harten Steinboden befinden sich zwei provisorische, mit Stroh aufgeschüttete Schlafstellen, in einer Ecke des Raumes zwei schmale Steintröge mit Wasser.
Wenn er sich nicht irrt, trennt diese Kammer nur fünfzig gewundene Meter Gang von der steilen Treppe, die zu dem Lagerhaus hinaufführt. Er braucht nicht lange zu überlegen, warum dem so ist: Sie bringen die junge Frau hierher, um sie zum entsprechenden Zeitpunkt leichter in ein wartendes Auto verfrachten zu können.
Erst hört Gideon nur Schritte, dann einen Gemurmel von Männerstimmen. Schatten fallen durch die Tür, und wenige Momente später marschieren vier Späher in den Raum. Zunächst bemerkt er die Frau zwischen ihnen gar nicht. Zwei von den Männern packen sie unter den Armen, während die anderen nach ihren Füßen greifen. Sie legen sie auf einen der Schlafplätze.
Einer der Männer ist Draco. Er und ein zweiter Mann bleiben zurück, während die beiden anderen Späher sich verziehen. »Sie ist sehr schwach, weil sie schon fast eine ganze Woche nichts mehr gegessen hat.« Er legt einen Arm um den athlethisch gebauten Späher neben ihm. »Das hier ist Volans. Er wird sich immer direkt vor der Kammer aufhalten. Er ist angewiesen, sofort einen Arzt zu holen, wenn du das Gefühl hast, dass ihr Zustand sich verschlechtert. Verstehst du?«
Gideon nickt.
»Gut, denn diese Frau darf nicht sterben. Ihre Gesundheit hat für uns oberste Priorität. Zumindest bis morgen.« Nachdem er Gideon einen kumpelhaften Klaps verpasst hat, verlässt er mit Volans den Raum und schließt die eiserne Tür.
Gideon fragt sich, ob der Meister Draco erzählt hat, dass sie beide Vater und Sohn sind. Sollte er sich wegen der Unterstützung durch den Inneren Kreis Sorgen machen, wäre es sicher klug, das zu tun. Zumindest hätte Gideon es an seiner Stelle getan.
Er wirft einen ersten Blick auf das Opfer. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu erkennen, dass die junge Frau vor nicht allzu langer Zeit noch sehr hübsch war. Obwohl sie völlig ungeschminkt ist und ihr dichtes schwarzes Haar schon ziemlich verfilzt aussieht, merkt man, dass sie eigentlich eine Naturschönheit ist. Ihr kurzes Kapuzengewand ist hochgerutscht, und Gideon sieht eine Ecke von einem Union Jack hervorblitzen – ein Andenken an eine andere Zeit, ein Symbol koketter Rebellion und jugendlichen Trotzes. Gideon beugt sich über sie und versucht, das Gewand nach unten zu ziehen, damit sie wieder anständig bedeckt ist.
Sie schlägt seine Hand weg. »Lassen Sie mich in Ruhe!«
Erschrocken weicht er zurück.
Die Frau setzt sich auf und nimmt eine abwehrende Haltung ein. Dabei wirkt sie immer noch leicht desorientiert. In ihren Augen hat sich die Angst eingenistet. »Bleiben Sie weg von mir! Bleiben Sie ja weg von mir!«
»Ich werde Ihnen nichts tun. Ehrlich nicht.«
Sie blickt sich um. Ihre Gebete sind nicht ganz erhört worden, aber zumindest steckt sie nicht mehr in diesem engen Höllenloch fest. Sie kann atmen und sich ausstrecken, sich sogar hinlegen. Als sie den Fremden in Augenschein nimmt, der nicht weit von ihr entfernt
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