Das Stonehenge - Ritual
hochkämpft und versucht, ein paar Schritte zu gehen, wird ihr vor Schwäche sofort wieder übel. Gideon registriert die Anspannung in ihrem Gesicht. »Alles in Ordnung?«
»Warum interessiert Sie das?« Sie starrt ihn an wie ein verschrecktes Tier.
»Ich bin nicht hier, um Ihnen weh zu tun.«
Ihr Herz macht einen Satz. Plötzlich schöpft sie wieder Hoffnung.
»Haben meine Eltern das Lösegeld bezahlt? Kann ich nach Hause?« Sie vergisst jede Vorsicht und stakst zu ihm hinüber. »Das ist der Grund, nicht wahr? Deswegen bin ich hier, und nicht mehr in dem gottverdammten Loch in der Wand. Deswegen sind Sie auch so nett zu mir. Sie bereiten mich auf meine Freilassung vor. Damit ich mich schon mal ein bisschen akklimatisieren kann.«
Gideon steht auf, um sie falls nötig zu stützen. »Nein, Caitlyn, das ist nicht der Grund.« Er wirft einen Blick zu den Eisenstäben der Tür hinüber. »Soweit ich informiert bin, wurde an Ihre Eltern gar keine Lösegeldforderung gestellt. Die Leute, die Sie entführt haben, sind nicht auf Geld aus. Es tut mir leid.«
Sie begreift nicht. Wenn sie ihr Geld nicht wollen, was wollen sie dann? Die Angst kehrt in ihr Gesicht zurück. »Was soll das Ganze dann?« Sie macht eine ausladende Handbewegung.
»Setzen Sie sich. Ich werde versuche, es Ihnen zu erklären.«
Nervös wie ein junges Kätzchen, kommt sie seiner Aufforderung nach.
Gideon spürt, wie ihre Panik auf ihn übergreift. Was er gleich zu ihr sagen wird, könnte sie völlig ausrasten lassen. Trotzdem muss er es ihr sagen. Sie hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihr passieren wird. Irgendwie muss er ihr begreiflich machen, dass sie nur noch wenige Stunden zu leben hat.
148
Dracos Blick ist auf den Rückspiegel gerichtet, während er angespannt das Lenkrad des Lieferwagens umklammert. Vor ein paar Minuten hat er etwas entdeckt. Irgendetwas Dunkles, Verschwommenes, etwa fünfhundert Meter hinter ihnen. Winzig, aber doch groß genug. Die Straße, die aus Imber herausführt, ist sonst immer ganz leer. Immer. Heute nicht. Der verschwommene Fleck ist nach wie vor hinter ihnen.
»Kannst du sehen, was das da hinter uns ist?«, wendet er sich an Musca, der neben ihm sitzt. »Was für eine Art Wagen?«
Der kräftig gebaute Metzger wendet sich um. Wie Draco hat er Mühe, die Wagenform auszumachen. Ein Lieferwagen scheint es nicht zu sein. Ein Kombi auch nicht. »Aus der Entfernung kann ich das auch nicht richtig sehen. Vielleicht ein Hecktürenmodell, ein Focus oder ein Golf, so was in der Art.«
»Hast du gesehen, wo der plötzlich herkam?«
Er dreht sich noch einmal um. »Keine Ahnung. Warum?«
»Die von der Armee lassen hier draußen doch keinen parken. Also wo zum Teufel kommt der her, und was hat er um diese Uhrzeit hier zu suchen?«
Musca beugt sich vor, damit er den Wagen etwas vergrößert im Seitenspiegel sehen kann. »Vielleicht sind es ja Leute, die sich verfahren haben.«
»Ja, vielleicht.« Draco nimmt den Fuß vom Gas und bremst den Lieferwagen auf etwa fünfzig herunter. Erneut wirft er einen Blick in den Rückspiegel. Eine blutrot aufgehende Sonne und der kleine schwarze Wagen. Die Lücke zwischen ihnen wird kleiner. Der Bauunternehmer verlangsamt sein Tempo auf vierzig.
»Ich werde gleich eine Vollbremsung hinlegen und ohne zu blinken abbiegen. Mach dich bereit.«
Musca zieht eine Glock 26 aus dem Hosenbund und legt sie auf seinem Schoß ab.
Draco tritt auf die Bremse. Der Wagen schlittert in eine gekieste Abzweigung. Draco schaltet den Motor ab.
Das Hecktürenmodell macht einen Schlenker und hupt, bleibt jedoch nicht stehen. Ein Fenster geht auf, und der Fahrer droht ihnen mit einer fleischigen Faust.
Weder Draco noch Musca sagen etwas. Beide starren wie hypnotisiert auf das Rücklicht des Wagens, der weiter die staubige Straße entlangfährt. Sie sehen ihm nach, bis er ganz verschwunden ist.
»Saufbrüder«, vermutet Musca. »Ich wette, die haben die ganze Nacht durchgezecht und fahren jetzt besoffen in die Arbeit.«
Draco lässt den Wagen wieder an. Muscas Theorie klingt plausibel. Vielleicht fuhren sie hinüber nach Tilshead oder Westdown Camp. »Hoffen wir es«, sagte er. »Ausgerechnet heute brauchen wir niemanden, der uns am Hintern klebt.«
149
»Sie sind doch total übergeschnappt!«, sagt Caitlyn und weicht vor Gideon zurück. »Kultrituale und Menschenopfer? Das meinen Sie doch nicht ernst.« Nervös tigert sie durch die Zelle.
Gideon wirft einen Blick zur Tür. Draußen stehen
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