Das Stonehenge - Ritual
die Späher, Volans und die anderen. Bestimmt hören sie ihnen zu.
»Und das hier?« Wieder macht sie eine ausladende Handbewegung. »Was soll das sein? Der Warteraum vor der gottverdammten
Todeszelle
? Wollen Sie und Ihre durchgeknallten Kumpel mich irgendwo hinbringen und über einem Feuer rösten?« Ihr Verstand kann kaum fassen, wie irrsinnig das klingt, was er ihr eben zu sagen versucht hat.
Er lässt ihr Zeit, ihrem Ärger Luft zu machen. Dampf abzulassen. Dann vollendet er das Bild. »Kurz vor Einbruch der Dämmerung wird man Sie von hier fortbringen. Man wird Sie waschen, Ihnen für die Zeremonie ein besonderes Gewand anziehen und Sie dann in das Große Gewölbe im Inneren des Heiligtums bringen. Dann wird der Meister als Vorbereitung auf die Opferung ein bestimmtes Ritual an Ihnen vollziehen.«
Ihre Augen weiten sich. Er ist wahnsinnig. Geistesgestört. Oder nicht?
Gideon versucht sie zu beruhigen. »Es ist nicht Sexuelles, aber sehr schmerzhaft. Der Meister wird die Zeichen der Geheiligten in Ihren Körper ritzen, für jeden Trilithen einen Schnitt. Entlang ihrer Arme, Beine und Wirbelsäule. Die Wunden werden anschließend mit Wasser von den Geheiligten benetzt, und dann lässt man Sie fünf Stunden allein.«
»Und dann?«
»Die Träger werden Sie zum Fluss bringen. Dort werden Sie in das Wasser getaucht, das die Alten damals überquerten, um sowohl den Tempel zu errichten, in dem Sie sich gerade befinden, als auch Stonehenge.«
Als sie das Wort hört, muss sie an Jake denken – an die letzten intimen Momente, die sie miteinander verbracht haben.
»In Stonehenge wird dann auch der letzte Teil der Zeremonie stattfinden. Die Opferung.«
Völlig fassungslos starrt sie ihn an. Für sie klingen seine Worte, als stammten sie direkt aus einem Lexikon des Wahnsinns. Opferung, Träger, Geheiligte. »Wie?« Ihre Frage kommt wie von selbst. »Wie werden sie es machen?«
»Schnell. Gnädig.«
»Gnädig? Was soll denn das für ein Wort sein?« Sie blickt nach unten. Ihre Hände zittern. Das klingt alles so verrückt, dass sie es einfach nicht glauben kann. »Wo ist Jake? Ist er …« Es tut ihr schon weh, seinen Namen auszusprechen. »Muss er das alles auch durchmachen?«
»Nein.« Gideon bemüht sich um einen möglichst sanften Ton. »Ihr Freund ist tot. Die Polizei hat vor ein paar Tagen seine Leiche gefunden. In einem Campingbus.«
Caitlyn bekommt kaum noch Luft. Es ist, wie sie befürchtet hat. Obwohl ihr dieser Gedanke in ihrem kleinen Felsloch bestimmt hundertmal durch den Kopf gegangen ist, lässt die Nachricht sie trotzdem zusammenbrechen.
Gideon schlingt die Arme um sie und spürt ihr Schluchzen an seiner Schulter. Ihr ganzer Körper zuckt, als schließlich die Tränen kommen.
Über ihre Schulter hinweg sieht er ein Gesicht durch die Gitterstäbe hereinspähen. Das Gesicht seines Vaters.
150
Sammy ist schon wach und sorgt für Wirbel, als Megan bei ihren Eltern eintrifft. Sie hat eine dicke Schicht Make-up über ihr Gesicht und die Schlafzimmermöbel verteilt.
»Ich mach mich hübsch, Mummy!«, verkündet sie mit einem stolzen Lächeln und schürzt zum Beweis ihre frisch geschminkten Lippen.
»Komm, nun machen wir dich wieder sauber.« Megan dreht die Dusche auf und versucht, einen Teil der Bescherung vorab mit einem Tuch zu entfernen.
Ihre Tochter marschiert zu dem niedrigen Schränkchen unter dem Waschbecken und holt ihre eigene Shampooflasche heraus. »Ich bin doch jetzt schon ein großes Mädchen, ich kann mich selber waschen.«
Megan muss lächeln. Ihre Tochter wird groß. Ein paar Monate noch, dann geht sie schon zur Schule. Dabei kommt es ihr vor, als wären gerade mal fünf Minuten vergangen, seit sie Sammy als Baby auf dem Arm hielt. Wie schnell doch die Zeit verfliegt.
Inzwischen stimmt die Wassertemperatur. Sie hilft Sammy über den Rand der Duschwanne, wobei sie darauf achtet, dass ihre Tochter ja nicht mit den Zehen hängenbleibt, und schließt dann die Tür. »Geht es dir gut da drinnen?« Sie presst ihr Gesicht gegen das bereits mit Wasserdampf beschlagene Glas. Sammy schlägt kichernd gegen die andere Seite.
Megan hält sich den Kopf und tut für einen Moment, als hätte Sammy sie getroffen, ehe sie das Gesicht erneut an das Glas drückt.
Sammy schlägt wieder dagegen und kichert noch lauter als beim ersten Mal.
Wenn es nach ihr ginge, könnte dieser Spaß den ganzen Tag andauern.
»Sehr witzig«, sagt eine tiefe Stimme hinter ihr.
Megan fährt herum.
»Adam.«
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