Das Stonehenge - Ritual
ihre Enkelin zu kümmern. Ausnahmsweise kommt die Polizeibeamtin ohne Gardinenpredigt davon. Wofür sie sehr dankbar ist. Nach der kurzen Fahrt zum Polizeipräsidium von Devizes begibt sie sich in die Abteilung der Kriminalpolizei, die wie ein Großraumbüro angelegt ist, lässt sich dort an ihrem Schreibtisch nieder und beginnt mit der Lektüre der Aussagen der beiden Streifenpolizisten Featherby und Jones.
Gideon Chase hat Glück gehabt. Großes Glück. Wären die beiden nicht gerade im Nachbardorf gewesen, als sein Notruf einging, dann wären sie vermutlich zu spät gekommen. Featherby fand ihn bewusstlos in der Diele und schaffte es, ihn hinaus ins Freie zu zerren, ehe er Notarzt, Krankenwagen und Feuerwehr anforderte.
Megan betrachtet die Aufnahmen vom Tatort, Fotos von rußgeschwärzten Ziegelwänden und ausgebrannten Fenstern. Der Bericht der Feuerwehr scheint sich mit demjenigen von Chase zu decken. Demnach hatten als Erstes die Vorhänge des im Erdgeschoss an der Westseite des Hauses gelegenen Arbeitszimmers gebrannt. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Besagtes Zimmer und der Großteil des Gangs und der angrenzenden Eingangshalle waren von den Flammen verwüstet worden. Es würde ein hübsches Sümmchen kosten, das alles wieder instand setzen zu lassen.
Aus dem Bericht, den Megan in Händen hält, geht hervor, dass Chase immer wieder das Bewusstsein verlor, bis die Sanitäter ihn in den Krankenwagen verfrachteten und seine Lungen mit reinem Sauerstoff reinigten. Es spricht also vieles gegen ihre Theorie, dass er etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun haben könnte und womöglich einen Komplizen damit beauftragt hatte, den Einbruch und den Angriff auf ihn vorzutäuschen. Es sei denn, der Komplize war zu gierig geworden. In diesem Fall ergäbe der Versuch, ihn zu töten, durchaus einen Sinn.
Aber so richtig passt es nicht ins Bild. Bei dieser ganzen Sache passt gar nichts so richtig ins Bild.
Megan lässt die Papiere sinken und fragt sich erneut, warum Gideon sie angelogen hat. Eigentlich macht er einen recht anständigen Eindruck. Er wirkt intelligent, kultiviert und höflich, wenn auch vielleicht ein bisschen schrullig. Aber das sind Akademiker ja immer.
Warum also hatte er gelogen?
Kennt er den Mann, den er überrascht hat? Unwahrscheinlich. Ihren Informationen zufolge hat Chase den Großteil seiner Kindheit in einem Internat verbracht. Außerdem war sein Vater erst viel später nach Tollard Royal umgezogen. Vorher hatte die Familie in etwas bescheidenerem Rahmen sowohl im östlichen Wiltshire als auch in Cambridge gelebt, wo Nathaniel einen Lehrstuhl an der Universität innehatte.
Also warum? Es gibt nur wenige andere Möglichkeiten. Vielleicht hat Gideon Angst. Viele Verbrechensopfer trauen sich nicht, ihre Angreifer zu identifizieren, weil sie befürchten, diese könnten sonst zurückkehren. Oder jemand anderer könnte das übernehmen. Womöglich hat Chase Angst, zum Opfer abgestempelt zu werden. Eine durchaus plausible Theorie.
Chase ist bestimmt nicht der völlig furchtlose Typ. Anderseits wirkt er auf Megan aber auch nicht besonders ängstlich. Selbst ihre Mum würde ihn wohl kaum als feigen Waschlappen einstufen. Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht hat er gewusst, dass sein Vater in irgendwelche dubiosen Machenschaften verwickelt war, die mit dem Einbrecher zu tun hatten. Vielleicht war Gideon im Haus mit ihm verabredet gewesen, dann jedoch von dem Mann bedroht oder angegriffen worden, woraufhin Chase bei der Polizei anrief.
Megan gefällt auch diese Theorie nicht. Sie wirft noch einmal einen Blick in ihre Unterlagen. Fest steht, dass Gideon am Ende bewusstlos war und von dem Einbrecher seinem Schicksal überlassen wurde. Der Mann, von dem der Notruf kam, klang dem Bericht zufolge ruhig und gefasst – und nicht, als hätte er gerade mit einem Einbrecher gekämpft und die Lungen voller Rauch.
Trotzdem hat sie das Gefühl, der Wahrheit auf der Spur zu sein. Nathaniel Chase hat irgendetwas Schlimmes im Schilde geführt, da ist sie ganz sicher.
»Baker!«
Megan blickt entsetzt hoch. DCI Jude Tompkins steuert auf sie zu. Die vierzigjährige Blondine ist zur Zeit definitiv nicht zurechnungsfähig. Mehr Hektik kann selbst eine Kiste voller Frösche nicht verbreiten, geht Megan durch den Kopf. Der Grund für Tompkins’ neuen Hang zum Manischen ist ihre bevorstehende Heirat – ihre zweite.
»Sind Sie mit dem Selbstmord schon fertig, Baker?« Sie platziert ihren zu
Weitere Kostenlose Bücher