Das Stonehenge - Ritual
ausgehändigt hat. Auf einem mit Absperrungsband markierten Pfad, der dafür sorgen soll, dass am Tatort möglichst wenig verändert wird, kämpft er sich bis zu dem Fahrzeug vor. Im Inneren des Wagens knien ein Mann und eine Frau, damit beschäftigt, die Leiche zu inspizieren.
»Ist es das Mädchen?«, fragt Jimmy. »Die vermisste junge Frau?«
Seine Frage scheint am Rücken der Pathologin abzuprallen. Es handelt sich um Lisa Hamilton, die im Auftrag des Innenministeriums vor Ort ist.
Doch wie sich herausstellt, hat sie ihn bereits an der Stimme erkannt. »Nein, es handelt sich um einen Mann – und ich möchte Sie gleich warnen,
Sergeant
: Rücken Sie mir nicht zu nahe auf die Pelle, verlangen Sie keine frühzeitigen Ergebnisse von mir, gehen Sie mir auch sonst nicht auf die Nerven und verändern Sie
unter keinen Umständen
meinen Tatort.«
»Schon klar.« Solche Warnungen perlen an Jimmy ab wie Wasser am Rücken einer Ente. Es ist es gewohnt, ständig gesagt zu bekommen, was er alles nicht tun soll. Außerdem hat er eine Schwäche für Lisa. Selbst um zwei Uhr morgens löst sie irgendwelche urzeitlichen Gefühlswallungen in ihm aus.
Über ihre Schulter kann er sehen, dass die Leiche an ungleichmäßig gegrilltes Fleisch erinnert – eine ungute Mischung aus Rosa und Schwarz. Hie und da klebt ein Fetzen von Kleidung an einem verkohlten Knochen, und auf den Überresten dessen, was einmal die Bodenplatte des Busses war, haben sich zähe Pfützen menschlichen Fettes ausgebreitet. Jimmy bemerkt, dass der Metallrahmen des Fahrzeugs zum Teil nach oben verbogen ist. »Hat es eine Explosion gegeben?«
»Wie es aussieht, ist die Gasflasche detoniert«, erklärt der Mann, ein junger Beamter von der Spurensicherung mit pickeligem Gesicht und stacheligem Haar. »Nach den Spuren der Druckwelle zu urteilen, wurde die Explosion unter der Herdplatte ausgelöst.«
Jimmy umrundet die beiden und inspiziert den Rest des ausgebrannten Fahrzeugs. »Also kein Hinweis auf das Mädchen?«, fragt er über die Schulter. »Seid ihr sicher, dass sie nicht über den Wagen verteilt ist?«
Lisa Hamilton verrenkt sich den Hals, um ihm aus ihrer kauernden Position einen bösen Blick zuzuwerfen. »Wollen Sie ernsthaft andeuten, ich hätte eine ganze Frau übersehen?«
Er kommt sich wie ein Idiot vor. »Nein, natürlich nicht. Wir suchen nur alle wie die Wahnsinnigen nach ihr.«
Die Pathologin funkelt ihn immer noch finsterer an. »Hier geht es aber nicht um eine vermisste Frau. Im Moment konzentriere ich mich voll und ganz auf diesen Mann. Ich versuche, ihm das gebührende Maß an Würde und Respekt zuteilwerden zu lassen, indem ich die Umstände seines Todes gründlich unter die Lupe nehme.«
Jimmy hat den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und tritt den Rückzug an. Andere Beamte der Spurensicherung sind gerade schwer damit beschäftigt, alles einzutüten und zu beschriften, was sich vom Boden aufsammeln oder von den Wänden kratzen lässt. Er sieht eine Ansammlung von Tüten, die unter anderem ein zerbrochenes Glas, eine Bratpfanne, zwei leere Wodkaflaschen sowie geschwärztes Besteck und Geschirr enthalten.
Eine Beamtin, die ebenfalls zur Spurensicherung gehört, tritt neben ihn und hält ihm einen kleinen Plastikbeutel mit sichergestelltem Beweismaterial unter die Nase. »Im Handschuhfach haben wir einen Führerschein und Dokumente einer Autovermietung gefunden. Sie sind ziemlich verrußt, ansonsten aber intakt.«
Jimmy hält den Beutel ins Licht. Die Schrift ist gerade noch lesbar. »Edward Jacob Timberland.« Mit einem Anflug von Traurigkeit sagt er den Namen laut vor sich hin. Sobald eine Leiche einen Namen hat, bekommt der Fall für ihn einen persönlicheren Bezug. Zu der Pathologin ruft er hinein: »Frau Professor, ich fahre zurück ins Präsidium. Wann dürfen wir denn mit Ihrem Bericht rechnen?«
Ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, antwortet sie: »Nach dem Frühstück. Ich schicke Ihnen per Mail eine Zusammenfassung und stehe ab circa zehn Uhr zur Verfügung, falls Sie die Ergebnisse noch einmal persönlich durchsprechen wollen.«
»Danke.« Eine gute Idee. Ein netter Plausch bei einer Tasse Kaffee. Wer weiß, wozu das führen kann. Jimmy hebt grüßend die Hand, als er geht. »Gute Nacht, Leute.«
Im Hinausgehen hört er ein paar gemurmelte Antworten.
»Guten Morgen!«, ruft ihm die Gerichtsmedizinerin mit einem Lachen in der Stimme hinterher. »Achten Sie auf Ihre Zeitangaben, Detective. Es ist schon
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