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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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ihrem Regenmantel mit Kapuze langweilig und anonym genug auszusehen, um in ihrer düsteren Ecke nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Doch wie sich herausstellte, musste sie nicht lange bleiben. Als um fünf vor halb neun immer noch keine Arbeiter aufgetaucht waren, fühlte sie sich in ihrer Vermutung bestätigt und verschwand. Da Rose's wie die meisten Cafés an der Küste bereits um sechs Uhr geschlossen hatte, ungefähr um die Zeit, wenn die Leute zu Abend aßen, gab es keinen Platz mehr, von dem aus sie ihre Beobachtungen fortsetzen konnte.
      Am zweiten Tag war die Mittagszeit vielversprechender. Ins Brown Cow kamen nicht nur mehrere Büroangestellte, sondern auch einige Fabrikarbeiter, die sich zum Ende ihrer Schicht eine Pastete und ein Bier genehmigten. Doch den Mann, den sie suchte, entdeckte Sue nicht, und allmählich begann sie sich zu fragen, wie lange sie noch weitermachen konnte. Obwohl Keiths Leiche noch nicht gefunden worden war und die Zeitungen nichts Neues gebracht hatten, machte sie sich allmählich Sorgen, dass die Polizei ihr womöglich auf die Spur kam. Auch ihr Geld würde nicht ewig reichen, und sie wagte sich kaum die Konsequenzen auszumalen, sollte sie sich mit der Herkunft ihres Opfers getäuscht haben. Sie hatte so viel Energie in die Suche gesteckt und so viel aufs Spiel gesetzt, dass sie an ein Scheitern gar nicht zu denken wagte. Besonders jetzt, da zwei unschuldige Menschen durch ihre Hand zu Tode gekommen waren.
      Gegen fünf Uhr nachmittags ging sie erneut in Rose's Café, um acht tauchte sie im Brown Cow auf. Immer noch nichts. Am dritten Tag war sie durch das endlose Pendeln zwischen zwei derart fürchterlichen Umgebungen völlig entmutigt und deprimiert. Die Welt, in der sie nun lebte, obwohl nicht mehr als eine Meile vom Strand, dem Kieferknochen des Wales, der Captain-Cook-Sta-tue, der St. Mary's Church und den niedlichen Läden in der Church Street entfernt, war so trist und anonym, dass sie fast überall in jeder anderen englischen Stadt hätte sein können.
      Außerdem war es eine bedrohliche Welt. Sie war schreckhaft geworden und fühlte sich ständig verfolgt und beobachtet. Das war dumm, sagte sie sich. Sie war diejenige, die beobachtete. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los. Nachts schlief sie nun kaum noch, was nicht nur an den Möwen lag. Sie begann zu glauben, dass ihre Tage in der Sonne auf West Cliff ein Traum gewesen waren. Jetzt hatte sie durch den Kieferknochen des Wales seinen dunklen, feuchten und tropfenden Bauch betreten, aus dem es keinen Ausweg gab. Dann, am dritten Tag, sah sie ihn.
     
     

* 38
    Kirsten
     
    Der grüne Seetang begann zu schwanken und Kirsten spürte das Gewicht des Ozeans auf ihren Augenlidern. In der Ferne murmelte Lauras Stimme, trieb sie tiefer, drängte sie weiter, und dann hörte sie das Summen in ihren Ohren und sie ging hinaus auf die Straße, in einer schwülen Juninacht vor Ewigkeiten ...
      Sie konnte den Asphaltweg spüren, aufgeweicht von der Hitze des Tages, der unter ihren Füßen nachgab wie ein Florteppich, sie konnte das Rascheln ihrer Jeans beim Gehen hören. Aus der Ferne hörte man ein Auto. Ein Hund bellte. Kirsten schaute auf. Die Sterne waren klobig und verschwommen, fast butterfarben im Dunst, doch sie konnte den Mond nicht finden. Er muss hinter diesen hohen Bäumen sein, dachte sie, während sie weiterging.
      Sie stand in der Mitte des Parks, von wo sie den Schein der Straßenlaternen hinter den Bäumen sehen konnte, und verspürte das Bedürfnis, auf dem Löwen zu sitzen. Sie ging über einen schmalen Grasstreifen und kletterte hinauf. Bilder von Kakadus, Affen, Insekten und Schlangen huschten ihr durch den Kopf. Sie lachte und warf ihren Kopf zurück, um wieder nach dem Mond zu schauen, dann spürte sie eine raue Hand über Mund und Nase.
      Ihre Brust war zusammengeschnürt und sie wusste, dass sie um sich trat und nach Atem rang, während sie rücklings vom Löwen herunter auf den Boden gezerrt wurde. Lange Grashalme kitzelten ihren Nacken.
      Und plötzlich war der Mond da. Er schien durch eine Lücke zwischen den Bäumen auf die Stelle, auf die sie gezogen worden war. Und er beleuchtete sein Gesicht. Im blassen Licht war es verschwommen und gespenstisch, aber es war trotzdem ein Gesicht: tief zerfurcht, mit einem kurzen, schwarzen Pony, der tief auf die breite Stirn fiel, und dunklen Augenbrauen, die in der Mitte zusammengewachsen waren. Und seine Augen. Selbst im schwachen Schein

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