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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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lachend neben ihr. »Tja, denen hast du's ja richtig gezeigt, oder? Und ich dachte, aus Pubs rausgeschmissen zu werden, wäre meine Spezialität.«
      »Hast du gehört, was sie gesagt haben?«
      »Ja, teilweise. Komm, gehen wir ein Stück. Die sind es nicht wert, sich ihretwegen den Kopf zu zerbrechen. Außerdem ist es von hier nach Land's End nicht so weit wie von oben im Norden.«
      »Dann war der Spruch wohl nicht so schlimm gemeint«, sagte Kirsten. »Ihrem Akzent nach schätze ich, sie kommen aus Lancashire. Wahrscheinlich Manchester.«
      Sarah hob ihre Augenbrauen. »Ich bin beeindruckt. Ich habe schon fast alles vergessen, was ich letztes Jahr gelernt habe, aber du erinnerst dich sogar noch an diesen Li nguistikkram.«
      Kirsten rang sich ein Lächeln ab. »Das ist wohl wie Radfahren. Man verlernt es nie. Aber wir sollten bald machen, dass wir nach Hause kommen. Ich habe gesagt, dass wir nicht so spät kommen.«
      Es schneite noch immer. Die Flocken waren jetzt größer und dicker, und auf den Straßen und Gehwegen waren ein paar Zentimeter liegen geblieben und wurden bald von den Autos und Fußgängern zu einem grauen Matsch aufgewirbelt. Sie gingen an der beleuchteten Abtei vorbei und bogen nach rechts in die Pierrepont Street. Hinter den Parade Gardens reflektierte der Fluss die rotgrünen Streifen der Weihnachtsbeleuchtung, und Schneeflocken schwebten hinab, um auf der Wasseroberfläche zu schmelzen. Noch immer waren eine Menge Leute mit riesigen Tragetüten voller Geschenke unterwegs.
      »Schön«, sagte Sarah, als sie den Audi sah.
      Kirsten nahm einen Eiskratzer aus dem Kofferraum und fegte den Schnee von der Windschutzscheibe, dann steuerte sie den Wagen durch das Einbahnstraßensystem auf die Wells Road. Bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und bogen von der Hauptstraße auf die engen Landstraßen. Hier lag der Schnee noch ungestört vor den Wagenrädern, ein makelloser, weißer Teppich, der im Scheinwerferlicht glitzerte. Dicke Flocken fielen auf die Windschutzscheibe und schmolzen, noch ehe die Scheibenwischer sie wegfegen konnten.
      Beinahe ohne es zu merken, trat Kirsten das Gaspedal durch. Sie kannte diese gewundenen Straßen wie ihre Westentasche. Sie waren so eng, dass die Fahrer in eine der zahlreichen Haltebuchten scheren mussten, wenn jemand aus der Gegenrichtung kam, zudem waren die Hecken am Straßenrand so hoch, dass man nicht sehen konnte, was hinter der nächsten Kurve wartete. Kirsten spürte, dass der Wagen schneller und schneller wurde, während der Schnee wie ein Sturm auf die Windschutzscheibe peitschte. Die Tachonadel kletterte höher, in ihren Adern stieg der Adrenalinpegel. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie sich nicht stoppen können.
      Nach einer Weile nahm sie eine entfernte Stimme wahr und eine Hand, die sie schüttelte. Es war Sarah, die schrie, dass sie langsamer fahren sollte. Sie sah verängstigt aus. Plötzlich merkte Kirsten, dass der Bann brach, und sie nahm ihren Fuß vom Gaspedal. Sie fühlte sich ausgelaugt. Sarah schimpfte immer noch, ob Kirsten sie beide umbringen wolle und ob sie verrückt geworden sei. Schließlich musste Kirsten anhalten. Sie scherte in die nächste Haltebucht, bremste und schaltete den Motor aus. Ihre Hände zitterten am Lenkrad.
      »Willst du uns beide umbringen?«, schrie Sarah erneut.
      Kirsten konnte nicht sprechen.
      »Wenn du dich umbringen willst, meinetwegen«, fuhr Sarah wütend fort, »aber lass mich aus dem Spiel, ja? Dann gehe ich lieber zu Fuß, obwohl ich keine Ahnung habe, wo zum Teufel ich hier eigentlich bin.« Sie langte nach dem Türgriff.
      Kirsten beugte sich herüber, um sie abzuhalten. »Nicht«, flehte sie. »Es tut mir Leid, Sarah, ich ... ich weiß nicht ...«
      Sarah hielt inne und drehte sich um. Ihr zartes, blasses Gesicht war von Sorgen erfüllt. »Bist du okay?«
      Kirstens Hände umklammerten das Lenkrad noch immer so fest, dass ihre Knöchel so weiß waren wie der Schnee draußen. Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte die intensive Stille und Dunkelheit außerhalb des Wagens spüren. Ohne das Scheinwerferlicht war der Schnee nur als schwacher, perlweißer Glanz auf der Straße und den Hecken zu erkennen. Die Mendip Hills waren irgendwo in der Nacht verborgen. Innen beschlug ihr Atem die Fenster.
      »Kirstie?«, fragte Sarah wieder. »Geht es dir gut?«
      Kirsten ließ das Lenkrad los und warf sich mit einer solchen Kraft und Verzweiflung

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