Das stumme Lied
auf Sarah, dass die beiden fast durch die Tür nach draußen geflogen wären.
»Nein«, weinte sie, »nein, mir geht es überhaupt nicht gut.«
Sie drückte sich an Sarah, spürte ihre Arme, die sie hielten, und hörte ihre leisen, tröstenden Worte. Zum ersten Mal, seit es geschehen war, begann sie wirklich zu weinen. Die warmen, salzigen Tränen kullerten nicht nur über ihre Wangen, sie stiegen in die Augen und liefen auf Sarahs Schultern, während Kirsten sich schluchzend an sie klammerte.
* 37
Susan
Nach zwei erfolglosen Tagen wollte Sue fast aufgeben. Es schienen zu viele Hindernisse auf ihrem Weg zu liegen, außerdem machte sie zu viele Fehler. Am meisten beunruhigte sie noch immer das Gespräch mit der Frau in Rose's Café, und dann hatte sie zufällig zwei Arbeiter miteinander reden gehört und dabei erfahren, dass es in der Fabrik Schichtarbeit gab. Um siebzehn Uhr kam nur das Büropersonal aus den Maschendrahttoren geströmt. Die meisten Mitarbeiter aus der Produktion arbeiteten im Schichtdienst: von zwölf Uhr mittags bis acht Uhr abends, von acht bis vier am Morgen oder von vier bis Mittag. Ihn jetzt zu finden, schien aussichtslos. Sie konnte kaum um vier Uhr am Morgen dort auftauchen und die Arbeiter anglotzen, die Feierabend hatten.
Selbst das Wetter arbeitete weiterhin gegen sie. Immer wieder regnete es, dazu war es so kalt geworden, dass sie ihre Strickjacke unter dem Regenmantel tragen musste. Sie war schon fast so weit, von ihrem rapide zur Neige gehenden Geld ein Fernglas zu kaufen und hinauf in den Wald zu gehen, obwohl der Boden feucht sein würde, doch Gott sei Dank kam es nicht dazu. Ein paar glückliche Zufälle halfen ihr weiter.
Als sie sich am ersten Nachmittag um fünf Uhr erneut den Toren näherte und am Café vorbeikam, bemerkte sie eine andere Frau hinter dem Tresen. Sie war jünger, ihre blonden Haare waren lang und strähnig. Da bereits ein paar Gäste im Lokal saßen, trat Sue mit gesenktem Kopf ein, als würde sie nur Zuflucht vor dem Regen suchen, bestellte eine Tasse Tee, ohne weitere Fragen beantworten zu müssen, und setzte sich an den Fenstertisch. Vielleicht arbeitete ja die Frau, der sie beim ersten Mal begegnet war, nur zur Mittagszeit. Also musste sie ihr Geld nicht in ein Fernglas investieren und sich am Ende noch eine Lungenentzündung im feuchten Wald holen.
Das Problem mit den Schichten blieb allerdings bestehen, und sie hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Da sie sich mit Sicherheit kein Nachtsichtgerät leisten konnte, musste sie den Schichtwechsel um vier Uhr am Morgen ausfallen lassen. Damit blieben die Wechsel um zwölf und um acht, beide konnte sie vom Brown Cow aus überwachen.
Aufgemuntert durch die glückliche Wendung verließ Sue Rose's Cafe am ersten Tag kurz nach halb vier Uhr, gönnte sich Canneloni mit Salat in einem ziemlich teuren Restaurant in der New Quay Road nahe des Bahnhofs - ein Lokal, das nicht auf Fish and Chips spezialisiert war - und ging dann um Viertel vor acht zurück über den Esk, um das Brown Cow zu suchen. Anstatt nach rechts in die Sackgasse abzubiegen, die zur Fabrik führte, folgte sie der Straße am Rand des Sozialviertels und entdeckte den Pub ungefähr hundert Meter weiter. Es war ein einfaches modernes Backsteingebäude, an dessen Fassade ein Schild der Tetley's Brauerei hing.
Sie betrat einen großen Saal, dem jede Persönlichkeit fehlte: trübe beigefarbene Tapeten und ein fleckiger, brauner Teppich, der an manchen Stellen klebrig und abgetreten war. Tische und Stühle waren aus Plastik, die Stühle dazu unbequem. Es war ein rein funktionales Lokal. Die einzigen Leute, die hier hingingen, kamen eindeutig aus der nahegelegenen Siedlung. Zur Mittagszeit kamen vielleicht ein paar Fabrikarbeiter vorbei, dachte Sue bedrückt, doch die würden hier sicher nicht den Abend verbringen, wenn ihre Schicht um acht Uhr endete.
Doch ganz gleich wie deprimierend das Brown Cow auf Sue wirkte, der Laden war gut besucht. Mehr als drei Viertel der Tische waren besetzt und jeder schien sich zu amüsieren. Die obligatorische Jukebox hatte eine Vorliebe für uralte Songs von Engelbert Humperdinck und Tom Jones, und von der hinteren Wand lockte verführerisch die Reihe der einarmigen Banditen und Videospiele wie ein Aufmarsch von Nutten in einem Puff. Fette Weiber rauchten und tratschten, während fette Männer rauchten und Münzen in die Maschinen steckten.
Sue glaubte, in
Weitere Kostenlose Bücher