Das stumme Lied
bewegt hatten. Er hatte mit ihr gesprochen. Sie hatte keine Töne oder Worte hören können, aber sie wusste, dass er gesprochen hatte, und wenn sie das in ihr Bewusstsein zurückbrächte, würde es ihr vielleicht Aufschlüsse über ihn geben. Und die führten sie vielleicht sogar zu ihm.
* 39
Susan
Als sich Susan am dritten Tag dem Brown Cow näherte, sah sie zwei weiße Fabriktransporter davor stehen, und noch ehe sie auch nur in die Nähe der Eingangstür gelangte, kamen zwei Männer aus dem Pub und gingen zu ihnen. Es war unmöglich, aus solcher Entfernung sicher zu sein, doch einer der beiden stimmte mit dem Bild in ihrer Erinnerung überein: der tiefhängende, dunkle Pony, die buschigen, in der Mitte zusammengewachsenen Augenbrauen. Sie musste näher herangehen, um zu erkennen, ob er tiefe Furchen im Gesicht hatte, und vor allem musste sie seine Stimme hören.
Als die Männer ihre Transporter anließen und losfuhren, folgte sie ihnen zu Fuß. So würde sie zumindest sehen, in welche Richtung sie sich wandten. Wenn sie nach links abbogen, würden sie zur Fabrik wollen, wenn sie geradeaus zur Hauptstraße fuhren, würden sie eine Lieferung wegbringen müssen. Sie hatte Glück. Beide bogen nach links ab.
Sie hastete hinter ihnen her. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, doch nun hatte es keinen Zweck mehr, im Brown Cow herumzusitzen. Als sie die Abzweigung erreichte, hatten die Transporter bereits vor den Laderampen hundert Meter hinter den Maschendrahttoren angehalten, und die Fahrer waren nirgends zu sehen. Sie ging die Straße entlang bis zur Ladenreihe. Sie konnte nicht einfach durch die Fabriktore marschieren und nach dem Mann suchen; noch konnte sie sich in das Café setzen, wo die neugierige Frau arbeitete. Was sollte sie tun?
Bevor sie einen Plan schmieden konnte, sah sie, dass der Mann aus den Glastüren des Bürogebäudes kam. Er schien einen kleinen Umschlag in seine Tasche zu stecken. Eine Lohntüte vielleicht? Was auch immer es war, er wirkte, als hätte er für heute Feierabend. Wenn er ein Fahrer war, bestand die Möglichkeit, dass er gerade von einer nächtlichen Tour zurückgekommen war, seine Arbeitszeit mit einer Stunde im Brown Cow ausgedehnt hatte und nun auf dem Nachhauseweg war.
Jetzt ging er auf dem Feldweg, der aus der Fabrik herausführte, in ihre Richtung und war kaum fünfzig Meter entfernt. Sie konnte sich nirgendwo verstecken. Sie könnte einfach dort auf der Straße stehen bleiben, bis er auf ihrer Höhe war. Und wenn er sie erkannte? Sie hatte sich seit ihrem letzten Aufeinandertreffen sehr verändert und eine Menge Gewicht verloren, obwohl die Perücke ungefähr die gleiche Länge hatte wie ihre Haare damals. Sicherlich würde er ihr Außeres nicht besser wahrgenommen haben als sie seines, oder? Doch sie konnte nicht einfach wie angewurzelt da stehen bleiben.
Es gab nur einen Ausweg. Sie stürzte los und verschwand im Zeitschriftenladen. Sie brauchte ohnehin ihre Morgenzeitungen, denn seit die tägliche Beobachtung sie völlig beanspruchte, hatte sie sich nicht mehr wie gewöhnlich die Zeit genommen, im Café in der Church Street zu verweilen. Sie hatte sich nicht mehr um Nachrichten über Keith gekümmert und war immer noch nervös wegen der Ermittlung zum Tod von Grimley, auch wenn noch niemand mitten in der Nacht an ihrer Tür geklopft hatte.
Die Tageszeitungen lagen in kleinen, unordentlichen Stapeln auf einem niedrigen Bord direkt im Fenster, unter dem Ständer mit Magazinen. Während sie mit dem Rücken zur Verkäuferin so tat, als träfe sie gerade ihre Auswahl, könnte sie von dort einen genaueren Blick auf den Mann werfen, während er vorbeiging. Sie bückte sich und gab vor, den Stapel auf der Suche nach den besten Schlagzeilen durchzublättern, als er plötzlich genau vor dem Schaufenster auftauchte. Doch er ging nicht vorbei, wie sie erwartet hatte. Stattdessen klopfte er auf seine Tasche, drehte sich um und kam herein.
Sue blieb mit dem Rücken zum Tresen stehen und untersuchte ausführlich die Radio Times und Women's Own im Ständer über den Tageszeitungen.
»Tag, Greg«, hörte sie die Frau sagen. »Tabak?«
»Ja, bitte.« Die Stimme des Mannes klang gedämpft, sodass Sue ihn nicht deutlich hören konnte.
»Wie immer?«
»Ja. Ach, und eine Schachtel Streichhölzer, bitte. Swan Vestas.«
»Feierabend?«
»Genau. Bin gerade von der Leeds-Bradford-Tour zurück. Wir können die armen
Weitere Kostenlose Bücher