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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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nie anklagend wirkte, dass das folkloristische Ambiente, in dem sie sich am Rande des Kitsches bewegte, ihrer Autorität in keiner Weise schadete. Die weihevolle Stimmung, die sie im Konzertsaal herzustellen verstand, kroch ja förmlich durch die Ritzen der verschlossenen Türen …
    Steve blickte auf die Uhr. Anderthalb Stunden hatte Maeva bereits geredet, aber es kam ihm viel kürzer vor. Lange würde sie wohl nicht mehr sprechen, denn die Tänzer von O Tahiti E traten bereits aus den Kulissen, um sich in einem Halbkreis hinter ihr zu versammeln.
    »Wie ist es möglich«, fragte Maeva, »dass alle zerstörerischen Handlungen, die wir erleben müssen, von den Verantwortlichen als kreative Taten gefeiert werden? Die Bombardierung anderer Länder, der Bau von Staudämmen, das Versprühen von Insektiziden, die Erschaffung genmanipulierter Organismen – dies alles wird als notwendig, fortschrittlich und kreativ empfunden. Wir begreifen Gesundheit als Leistung der pharmazeutischen Industrie, wir verstehen soziale Sicherheit als etwas, was Polizei und Justiz herstellen. So ist es auf fast allen Gebieten: Wir glauben ausschließlich an ordnungspolitische oder technische Lösungen.
    Warum ist das so? Weil unsere Gesellschaft dem Patriarchat gehorcht, dessen zentrale Werte Überlegenheit und Dominanz sind. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass wir das weibliche Prinzip wieder zum Tragen bringen. Schauen wir auf die Natur. In den Kulturen der indigenen Völker gilt die kreative Kraft der Natur als feminin. Die Anerkennung dieser Kraft macht uns dem Leben gegenüber demütig und lässt uns erkennen, dass wir nicht sein Meister sind. Wenn jeder Mensch bereit wäre, das weibliche Prinzip in sich wieder zuzulassen, würden wir erleben, dass Selbstversorgung, Selbstvertrauen und Selbstbestimmung ganz oben auf der politischen Tagesordnung stünden. Wir wollen nicht länger auf Vernichtung bauen. Ich sprach vorhin davon«, sagte sie, »dass es Freude und Spaß bringen müsste, gemeinsam auf unserer verschmutzten Erde aufzuräumen. Fangen wir doch am besten gleich damit an. Südlich von Hawaii dreht sich ein sechs Millionen Tonnen schwerer Plastikteppich von der Größe Europas im Kreis. Bisher wird er von den subtropischen Winden in eine spiralähnliche Bewegung gezwungen, aber es ist zu befürchten, dass sich die Windrichtungen im Zeichen des Klimawandels sehr bald ändern werden. Also lasst uns fischen gehen. Sammeln wir sie ein, die Strandsandalen, Kunststoffmatten, Giftmüllbehälter, Kleiderbügel, Badeenten, Volleybälle, Styroporplatten und auch allen anderen überflüssigen Dreck, den die Wegwerfgesellschaft uns hinterlassen hat. Diese Aufgabe übersteigt unsere Kräfte natürlich bei Weitem. Deshalb werden die URP die Verursacher in die Pflicht nehmen. Was spricht dagegen, dass sich Japan, dass sich China, die USA und die europäischen Länder an dieser Aufräumarbeit beteiligen? Was spricht dagegen, dass Global Oil uns seine Hebetankerflotte zur Verfügung stellt, anstatt mit ihr, wie vor fünf Jahren geschehen, vor Tahiti illegal nach unseren Rohstoffen zu schürfen? Wir haben einen Anspruch auf ihre Unterstützung, und wir werden diesen Anspruch vor aller Welt formulieren …«
    Maeva hatte sich erhoben und bat das Publikum darum, eine letzte kleine Anmerkung machen zu dürfen.
    »Jede körperliche Erscheinung, die wir wahrnehmen«, sagte sie, »ist lediglich Bestandteil einer sich permanent verändernden Oberflächenstruktur. Alles Materielle, alles, was wir sehen, anfassen, hören, riechen und schmecken können, gleicht den Wellen auf dem Ozean. Sie kommen und gehen, der Ozean aber bleibt bestehen. Die Tatsache, dass auch wir eines Tages unsere Gestalt verlieren und eintauchen werden in seine Tiefe, bedeutet ja nur, dass wir endlich wieder eins werden mit seiner kraftvollen Energie. Je nachdem, wie wir gelebt haben, tragen wir zu seiner Reinigung oder zu seiner Verunreinigung bei, werden wir von ihm entweder willkommen geheißen oder als kontaminierte Substanz behandelt. Ich frage Sie also: Wer muss mehr Angst vor dem Tod haben? Diejenigen, die den Regeln der Schöpfung entsprechend gelebt haben, oder diejenigen, die diese Regeln in ihrer kurzfristigen irdischen Existenz aufs Gröbste missachteten? Die URP, das ist mein sehnlichster Wunsch, sollen ein mächtiger Verbund von Angstfreien sein. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Mauruuru roa …«
    Cording reichte der Garderobenfrau sein Taschentuch. Die Frau

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