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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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länger um einen eigenen Staat. Angesichts der ökologischen Bedrohung, die den ganzen Planeten zu vernichten droht, kämpfen wir um eine andere Lebensführung, die mit den Reserven der Natur im Geiste unserer Vorfahren verfährt.‹
    Es gibt inzwischen viele Menschen auf der Welt, die diesen Bewusstseinswandel vollzogen haben, und täglich werden es mehr. All das passiert in einem ungeheuren Tempo, und es passiert jetzt. Die Vertreter des alten Systems wissen das. Sie wissen, dass ihre Richtlinien, Normen und Werte nicht mehr funktionieren. Ein solcher Wertezusammenbruch macht zunächst einmal Angst. Wir haben Angst vor Chaos und Anarchie, Angst davor, unterzugehen in diesem Endzeitszenario, in dem sich jeder gegen jeden zu behaupten versucht. Aber nicht wir sind dem Tode geweiht, es sind unsere alten Sicht- und Handlungsweisen, die sterben. Im Grunde müssen wir heute zwei Aufgaben zugleich bewältigen: als Sterbebegleiter für ein abgewirtschaftetes System und als Geburtshelfer für eine neue Kultur. Wenn es uns gelingt, eine positive Zukunftsvision in uns erblühen zu lassen, dann werden wir sie in der praktischen Politik auch umsetzen können. Denn es wird nichts Neues durch uns in die Welt kommen, was nicht vorher in unserem Bewusstsein Gestalt angenommen hat.«
    Omai beugte sich zu seiner Sitznachbarin.
    »Dieser Platz war eigentlich einem unserer Delegationsmitglieder vorbehalten«, sagte er höflich.
    »Für Maximilian Cording, ich weiß«, antwortete Meredith Rose und stellte sich kurz vor. »Wir haben die Karten getauscht.«
    »Sie wissen nicht zufällig, wo sich unser Freund befindet?«
    »Auf der Pressetribüne.«
    Omai nickte und wandte sich wieder seiner Schwester zu.
    »Wenn die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen so radikal und schnell vonstattengeht, wie wir es gerade erleben, dann muss der Versuch, sie einzudämmen, ebenso radikal und schnell sein, sonst greift er nicht!«, fuhr Maeva fort. »Aber eines ist auch klar: Unsere Gegenwehr muss friedlich verlaufen. Die Methoden, derer wir uns bedienen, dürfen niemals eine gewaltsame Auseinandersetzung nach sich ziehen – kein einzelner Mensch, egal was er tut und wo er lebt, darf durch uns jemals zu Schaden kommen.« Sie lächelte und deutete auf Omai. »An dieser Stelle darf ich an einen Satz aus der Rede meines Bruders erinnern, die dieser vor fünf Jahren vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gehalten hat: Es geht nicht darum, wer recht hat, wer gewinnt oder verliert. Es geht darum, dass entzweite Parteien wieder zueinanderfinden und Frieden schließen. Es geht um das Vergnügen, Frieden zu schließen! Genau, liebe Freunde, darum geht es. Es muss doch Spaß bringen, unseren verschmutzten Wohnraum Erde gemeinsam aufzuräumen. Je mehr Menschen das verstehen, desto größer ist die Chance, die scheinbar unverrückbaren Strukturen eines alten Machtgefüges von innen heraus zu unterminieren und zu Fall zu bringen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Loretta Napoleoni sprach angesichts der vermeintlichen Weltenlenker von Zuhältern der Globalisierung. Gemeint war die kleine Kaste der machtvollen Manager und Politiker, die mit ihren begrenzten Interessen gar nicht in der Lage sind, eine nachhaltige Zukunft zu garantieren. Nun, ich habe meine Schwierigkeiten mit dem Begriff global. Die globale Umweltverschmutzung entsteht im Lokalen. Alles Globale hat lokale Wurzeln. Selbst die eben genannten Manager und Politiker sind nur ein elitärer kleiner Männerverein, der im weltweiten Maßstab agiert und sich verhält, als sei er der globale Stamm. Das Ergebnis dieser Anmaßung können wir heute überall besichtigen. Die Menschen wollen es aber nicht mehr hinnehmen, dass jede ihrer produktiven Handlungen in ein globales Wirtschaftssystem gepresst wird, um einen Wert zu bekommen. Sie sehnen sich nach Identität. Ihre Identität finden sie nur, wenn sie ihre Probleme vor Ort angehen. Der einzige Weg, das globale Desaster in den Griff zu kriegen, sind weltweite lokale Lösungen.«
    Cording betrachtete die Garderobenfrau, die allmählich in den Fernseher hineinzukriechen schien, so gebannt verfolgte sie die Übertragung. Auch er hatte sich ja längst davon überzeugt, dass das, was Maeva aus freien Stücken aufführte, eine ungleich größere Überzeugungskraft entfaltete, als es der mit Fakten und Appellen gespickte Entwurf, den sie ihr zuvor an die Hand gegeben hatten, je hätte tun können. Erstaunlich, dachte er, dass sie trotz aller offenen Aussagen

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