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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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schämte sich ihrer Tränen nicht. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und sah zu, dass er in den Saal gelangte, jetzt, da doch einige Besucher zu den Erfrischungsständen eilten. Diesmal durfte er passieren, er hatte Glück, denn kaum, dass er im Konzertsaal war, wurden die Türen bereits wieder geschlossen. Wie auf Kommando begannen die Musiker zu spielen. Oh, wie er die tahitianische Musik liebte, die sich allein dem Atem des Ozeans verpflichtet fühlte, ob dieser nun heftig ging oder sanft.
    Jemand winkte ihm aus der Mitte der Reihe zu. Es war Steve, der ihm zu verstehen gab, dass neben ihm noch Platz war. Aber er wollte hier stehen bleiben und jedes Gespräch vermeiden, in dem er sich doch nur hätte rechtfertigen müssen. Er entdeckte Maeva inmitten der Tänzerinnen, sie wirkte wie ein Fisch im Schwarm, eingebunden in eine einzige grazile Bewegung. Cording wusste jetzt schon, was er später aufschreiben würde, er konnte die Sätze bereits fühlen. Sie sollten davon erzählen, wie es einer jungen Frau gelungen war, den Hass einzuschläfern und der Angst zu sagen, sie möge von ihren Furcht einflößenden Gebärden nur die Agonie im Blick bewahren, zu mehr tauge sie nämlich nicht …
Sydney, 11. März 2028
    Gerade erfahre ich, dass Maeva morgen nicht mit der Delegation wie geplant nach Tahiti zurückkehren will. Rauura war über ihre Entscheidung derart erbost, dass er schon heute abgeflogen ist. Der zickige Schamane wird sich daran gewöhnen müssen, dass die Dame jetzt ihren eigenen Gesetzen folgt. Maeva will die Seesternstadt im äußersten Westen Australiens besuchen, die zu einer gigantischen Flüchtlingskolonie ausgebaut werden soll. Außerdem ist ein Besuch der nahe gelegenen NAFU -Kommune vorgesehen.
    Der Vorschlag kam von Rajani Bala, mit der Maeva seit zwei Tagen zusammengluckt. Die 75 -jährige Trägerin des Alternativen Nobelpreises hat es ihr angetan. Gestern berichtete Maeva mir voller Enthusiasmus von der indischen Chipko-Bewegung, in der sich Rajani vor fünfzig Jahren engagiert hatte. Als hätte ich davon nie gehört. Dass sich Tausende von Frauen in die bedrohten Wälder begeben hatten, um sich an die Bäume zu ketten, dass die Aktion letztlich sogar zur Rettung dieser Wälder beigetragen hatte – für Maeva war das ein weiteres Indiz dafür, dass sich ein friedlicher Widerstand, wie sie ihn zu organisieren beabsichtigte, lohnen würde.
    Übrigens wird uns Rajani Bala in die Seesternstadt begleiten. Mir scheint, als habe sie in Maeva endlich die Person gefunden, die ihre ökofeministischen Ideen nicht nur bewahren, sondern von einflussreicher Stelle aus befördern wird. Sieht so aus, als würde der Staffelstab gerade übergeben.
    Steve soll uns auf der Reise ebenfalls begleiten. Es ist Maevas ausdrücklicher Wunsch. Was läuft da zwischen den beiden?

Unter starken Frauen
    »Matt!«
    Steve starrte ungläubig auf das Brett. »Ich war doch die ganze Zeit über im Vorteil! Wenn wir auf dem Laptop gespielt hätten, wäre das nicht passiert …«
    »Mach dir nichts daraus«, antwortete Cording grinsend, »man verliert zwangsläufig ab und zu. Der Trick ist, es nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.«
    »Ha! Ha! Ha!«
    Der Junge war sauer. Cording sammelte die Figuren ein und sortierte sie in die entsprechenden Fächer, während Steve sich auf den Weg in den »Konferenzraum« machte, wie der komfortable hintere Teil der Maschine genannt wurde, die die URP für sie gechartert hatten. Er wunderte sich, mit welcher Selbstverständlichkeit sein junger Freund in das Gespräch zwischen Maeva und Rajani Bala platzte und wie selbstverständlich er von den beiden Frauen empfangen wurde. Cording hätte sich das nicht getraut, dazu war ihm die Atmosphäre dort zu intim. Natürlich wäre es interessant gewesen, Rajani zuzuhören und einiges über die Mythologie der Aborigines zu erfahren. Vielleicht hätte sie ihm erklären können, wieso Australiens Ureinwohner vor drei Jahren überraschenderweise bereit waren, die Seesternstadt in ihrer Region zuzulassen. Wieso sie überhaupt akzeptiert hatten, dass man ihnen eine Region zuwies, wo ihnen doch das ganze Land heilig war.
    Er schnappte sich Steves Laptop und rief im Internet die neue australische Verfassung auf. In einer ausschließlich die Aborigines betreffenden Novelle fand er den Passus, dass die sechs Stämme, also die Pitjantjatjara in New South Wales, die Aranda in Zentralaustralien, die YoIngu und Murngin in Arnhemland, die Kukatja in Westaustralien

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