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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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ihnen gewonnenen Stroms geht auf dem Transportweg verloren. Außerdem sind sie eine Schande fürs Auge … Hab ich recht?«
    Sicher hatte er das, aber neu war auch diese Erkenntnis nicht. Cording machte den Professor darauf aufmerksam, dass er ihm ja eigentlich die Seesterne erklären wollte, zwischen denen sie wie zwei verirrte Ameisen umherwanderten.
    »Ich habe mir das Strömungsprinzip der Natur zunutze gemacht«, antwortete Liebherr ohne Umschweife und keineswegs beleidigt. »Optimal angewandt könnte dieses Prinzip einen Großteil unserer Energieprobleme lösen.«
    Cording konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Aber etwas in seiner Stimme verbot ihm, Liebherr als Spinner abzutun. Es war der Anflug von Resignation, der Cording aufhorchen ließ. So sprach keiner, der Anerkennung für sich reklamieren wollte.
    »Die Natur zeigt uns doch, wie es funktioniert«, hörte er seinen Begleiter sagen, »man braucht es nur abzugucken und auf intelligente Weise nachzubauen. Das ist genau das, was wir Bionikforscher machen. Aber man traut uns nicht, weil die Menschen der Natur nicht trauen …«
    Seine Seesterne besaßen tatsächlich faszinierende Eigenschaften. Sie fingen zwischen ihren Armen den Wind auf, der sich auf dem Weg nach oben extrem beschleunigte und an der Spitze von einem Windlaser in Energie umgewandelt wurde. Die Strömungsbeschleunigung hatte zur Folge, dass die Luftfeuchtigkeit kondensierte.
    »Jedes Gebirge funktioniert nach diesem Prinzip«, bemerkte Liebherr, »auf diese Weise bildet sich Süßwasser. Das Süßwasser entsteht praktisch nach dem Windlaserprinzip. Die eingefangene Energie lässt sich auch problemlos in Wärme und Kälte umwandeln, ebenso einfach lässt sich aus ihr elektrische Energie generieren. Und als ob das noch nicht genug wäre, legt sich jedes Gebäude seinen eigenen Garten an, indem es einen Teil des gewonnenen Wassers zur Bepflanzung seiner Umgebung freigibt.«
    Liebherr war in Fahrt gekommen, er schwadronierte ohne Rücksicht auf die begrenzte Aufnahmefähigkeit seines Zuhörers von den Vorteilen der Stern-Formgebung, von Strömungsenergie-Extraktoren, vom perfekten Windschatten und der Möglichkeit, die Bewegungsenergie von Fluiden billig zu nutzen. Cording ließ den Redeschwall dieses genialen Kauzes über sich ergehen wie eine frische Brise, deren würziger Geschmack ihn glauben ließ, dass seinem Geist der reinste Sauerstoff zugeführt wurde. Wenn Liebherr vom optimierten Reflexionsprinzip sprach, von der Nutzung der Schwerkraft oder davon, wie aus einer diffusen schwachen Strömung ein kraftvoller Turbostrahl entstand, dann schienen seine Worte die Gigagebäude förmlich zu streicheln, die er hier in die Wüste gesetzt hatte, dann schienen sie auf ihn zu hören wie gezähmte Tiere auf ihren Dompteur.
    Immer wieder machte Liebherr darauf aufmerksam, wie einfach der Fortschritt zu haben war, gerade in jenen Breiten, die Gefahr liefen, von ihm abgeschnitten zu werden. Sonne, Wind, Meeresströmung und Sand waren ein technologisch schnell nutzbares und gewinnbringendes Kapital. Es störte Cording ein wenig, dass der Professor immer noch in dem klassischen Gewinn- und Verlustschema dachte, aber jemand, der sich jahrzehntelang mit einem System angelegt hatte, das keine anderen Argumente gelten ließ, durfte ruhig triumphieren, wenn er mit seiner Kosten-Nutzen-Rechnung plötzlich erkennbar vorn lag.
    So hörte Cording also weiter geduldig zu, wobei er sich den Luxus aller Unwissenden leistete und nur das zur Kenntnis nahm, was sich ihm auf Anhieb erschloss. Die Blattgeometrie der Magnolienblüte zum Beispiel, die aus einem schwachen Wind einen starken Strömungsstrahl machte, den sie dann zur optimalen Bestäubung nutzte. Oder die spezielle Oberflächenstruktur, die Liebherr seinen Monsterseesternen gegeben hatte, damit die Reibung der einströmenden Luft vermindert und ein sogenannter Katapulteffekt erzielt werden konnte.
    »Es geht darum, die Strömung durch oder über Flächen zu leiten, aber den Kontakt zu diesen Flächen extrem zu minimieren«, erklärte Liebherr von sich selbst begeistert. »Ein Luftpolster, bestehend aus kleinen Wirbeln, ist dafür perfekt geeignet. Das führt nicht nur zu Materialersparnis und Kostenreduktion, es bremst auch die Lärmentwicklung.«
    Nach etwa zwei Kilometern näherten sie sich dem Nachbarstern, der etwas gedrungener ausgefallen war als der, in dem Maeva, Rajani und Steve Unterschlupf gefunden hatten. Cording wunderte sich, dass ihnen

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