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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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noch heute im Internet zu finden sind.«
    Maevas Entschlossenheit ließ Cording frösteln. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass sein eigenes Leben trotz aller aufgestauten Empörung nichts weiter war als ein permanenter lauer Kompromiss, in dem er sich gut eingerichtet hatte mit den Jahren. Im Vergleich zu Maeva war er auf Mittelmäßigkeit programmiert. Er war mäßig engagiert, mäßig ehrgeizig, mäßig mutig, mäßig tolerant, mäßig verrückt und mäßig glücklich. Aus ihm sprach in der Tat die triumphierende Mittelmäßigkeit, die Hälfte seines Lebens hatte er wahrscheinlich flach geatmet. Er würde nie so brennen können wie diese Frau, deren Blick auf unerklärliche Weise weich wurde, wenn sie ihn ansah und die gerade dabei war, in ihrem Kopf eine eindeutige Kampfansage zu formulieren …
    Shark fühlte sich extrem unbehaglich, als Maeva darauf bestand, so nahe wie möglich an die mit Stacheldraht und Glasscherben gespickte Monstermauer zu rücken, die das Kernkraftwerk Koeberg in einem Abstand von hundert Metern umschloss. Auch Steve versuchte ihr klarzumachen, dass es diese Nähe nicht brauchte, um den grauen Kasten mit den beiden Kuppeltürmen ins rechte Bild zu rücken. Man musste sich den martialisch aussehenden Sicherheitskräften auf den Wachtürmen nicht unbedingt in Schussnähe präsentieren. Rudolfs Männer sahen das ähnlich. Sie hatten sich durch Maevas energischen Einspruch dazu bringen lassen, den leiblichen Wall um sie herum aufzulösen. Sichtlich irritiert verfolgten sie den Auftritt ihrer Präsidentin nun aus dem Abseits.
    »Liebe Menschenfamilie! Liebe Freunde in aller Welt!«, begann Maeva mit belegter Stimme. Verstohlen wischte sie sich die Augen und bat Steve darum, noch einmal anfangen zu dürfen. »Ich stehe hier vor dem Kernkraftwerk Koeberg, dreißig Kilometer westlich von Kapstadt«, hob sie nach einigen Minuten erneut an. Ihre Stimme verriet nun keinerlei Unsicherheit mehr, sie hatte sich gefangen. »Dieser Schrottmeiler ist das Symbol eines untergehenden, kannibalistischen Systems. Wie das System selbst ist er ineffizient und krank. Über eine Million Menschen haben vor wenigen Stunden im Pelikan Park gegen die weitere Nutzung der Atomkraft demonstriert. Junge Menschen, alte Menschen, Kinder und Greise. Sie wurden von der Armee dieses überforderten Staates ohne Vorwarnung in die Zange genommen. Es wurde auf sie geschossen. Die genaue Zahl derer, die dieser provozierten Massenpanik zum Opfer fielen, steht noch nicht fest. Wie ich inzwischen erfahren habe, sollen es weit über dreitausend sein. Lasst uns dieser Menschen an dieser Stelle gedenken. Sie hatten den Mut, gegen die Tyrannei einer abgewirtschafteten, verantwortungslosen und machtgierigen Clique aufzustehen, und zahlten mit ihrem Leben dafür. Sie starben für uns …«
    Maeva winkte ihre Leibwächter heran, die sich mit ihr in einer Reihe aufstellten. Auch Shark reihte sich ein. Hinter dem Reaktorblock 1 stieg ein Werkshelikopter auf und verharrte in zwanzig Meter Höhe mit schmatzenden Rotorblättern in der Luft, während am Boden die Hunde losgelassen wurden, deren heiseres Gebell entlang des Zauns der stillen Andacht jedoch nichts an Würde nehmen konnte. Im Gegenteil, vor dem sattsam bekannten Lärm der Welt wohnte Maevas Moment der Besinnung ein majestätischer Zauber inne.
    Schließlich entfernten sich die Krieger wieder nach beiden Seiten, und Maeva schaute erneut in die Kamera: »Ich glaube, dass mir erst heute so richtig bewusst geworden ist, wie seelenlos und brutal das multinational agierende Management auf Veränderung reagiert«, sagte sie. »Ich hätte es wissen sollen. Wir alle sollten es wissen: Der ungezügelte Kapitalismus hat als Ersatzreligion ausgedient, er zerstört sich gerade selbst. Es liegt in der Natur eines auf Gewalt und Ausbeutung basierenden imperialistischen Systems, dass es sich die Tyrannei, die es anderen auferlegt hat, am Ende selbst auferlegen muss.«
    Maeva winkte ab und hielt sich die Ohren zu. Der Helikopter umkreiste ihre kleine Gruppe zum wiederholten Mal in niedriger Höhe und zwang die vom ständigen Seewind gebeugten Bäume, unter denen sie Schutz gesucht hatten, noch weiter in die Knie. Shark hielt es nicht länger aus, er stürmte aus seinem Versteck auf die offene Wiese und hielt dem fotografierenden Kopiloten tanzend und feixend den Stinkefinger entgegen. Als nun auch Steve aus der Deckung kam und das Cockpit in den Fokus seiner Kamera nahm, drehte der Hubschrauber

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