Das Südsee-Virus
nicht mit dem Gandhi-Beispiel!
»Sehen Sie«, fuhr der Inder fort, »Mahatma Gandhi hat doch vorgemacht, wie es geht, er hat einen ganzen Subkontinent von der britischen Kolonialherrschaft befreit. Völlig gewaltfrei, also genau in Ihrem Sinne. Ich meine, es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die Maeva mit Gandhi vergleichen, der übrigens – Duplizität der Ereignisse – auch sehr erfolgreich in Südafrika gewirkt hat. Sie sind eine Ikone des gewaltlosen Widerstands geworden. Eigentlich sollten Sie es als Ihre Pflicht ansehen, unserem Ansinnen nachzukommen.«
»Der Kollege meint«, unterbrach Brandstätter diplomatisch, »dass wir uns überaus glücklich schätzen würden, wenn Sie sich bereit erklären könnten, in Südafrika Präsenz zu zeigen. Wenn überhaupt jemand die Situation entschärfen kann, dann sind Sie es, Maeva. Aber bitte, es ist Ihre Entscheidung …«
Maeva schwirrte der Kopf. Wie gerne hätte sie jetzt Cording an ihrer Seite gehabt. Cording wäre nicht stumm sitzen geblieben wie sie, er hätte das Ansinnen dieser jämmerlichen Bittsteller als das bezeichnet, was es war: als verkappten Anschlag auf ihr Leben. Man wollte sich ihrer bedienen, man wollte sie ins Feuer der Empörung schicken und spekulierte darauf, dass das angebotene Opfer ausreichte, um eine Katastrophe zu verhindern, die man selbst vorbereitet hatte. Sie brachten ihr die schwere Aufgabe wie ein verschnürtes Bündel, das sie zwar annehmen, aber nicht öffnen sollte. Cording hätte es ihnen an den Kopf geworfen, und obwohl sie seine direkte Art nicht immer für angebracht hielt, hätte es gutgetan, ihm dabei zuzusehen. Maeva spürte, wie sich eine unerträgliche Last auf ihre Seele zu legen begann, doch sie wusste, dass sie sich nicht verweigern durfte.
»Ich mache es«, sagte sie schließlich. Die Gesichter ihrer Besucher hellten sich auf. »Ich mache es unter folgenden Bedingungen. Erstens: Sie werden mich begleiten, alle drei. Und zwar an vorderster Front. Zweitens: Mr. Burgess wird den Menschen im Namen der IAEA verbindlich zusagen, dass sowohl Koeberg als auch Pelindaba unverzüglich den Betrieb einstellen.«
»Das mit Pelindaba wird sich machen lassen«, antwortete Burgess, »zwar würde Südafrika gegenüber China vertragsbrüchig werden, aber die fälligen Ausgleichszahlungen sind Sache des Betreibers. Die sofortige Schließung des AKW Koeberg jedoch würde gravierende Probleme aufwerfen. Immerhin bezieht die Millionenmetropole Kapstadt über ein Viertel ihres Energiebedarfs aus der Atomkraft.«
»Gut«, entgegnete Maeva, »dann sollen das diejenigen entscheiden, die vor Ort mit dem Kernkraftwerk leben müssen. Zwingen wir Südafrikas Regierung doch bei der Gelegenheit zu einer Volksabstimmung. Auf jeden Fall, Mr. Burgess, muss Ihre Organisation dafür sorgen, dass Koeberg so lange abgeschaltet bleibt, bis die Mängel seriös behoben sind. Sie, Herr Brandstätter, und Sie, Dr. Desai, kümmern sich darum, dass auch Vertreter der alternativen Energiewirtschaft in Kapstadt anwesend sein werden. Ich könnte mir vorstellen, dass es eine ganze Reihe multinationaler Konzerne gibt, die nur darauf warten, dass sich Südafrika aus den Fängen der Atom- und Kohlewirtschaft befreit. Wir müssen den Menschen am Kap Hoffnung machen, wir müssen sie bei dieser Veranstaltung auf den Geschmack bringen, sie eine bessere Zukunft spüren lassen!«
Maeva legte die Mappe mit den Unterlagen beiseite. »Wenn künftige Generationen auf unsere Zeit zurückblicken«, sagte sie und roch an der Orchideenblüte, die sie sich aus dem Haar genommen hatte, »sollen sie von einer Zeit des großen Wandels sprechen. Deshalb ist es unsere vornehmste Aufgabe, den Wandel konsequent vorzunehmen: von einer zerstörerischen industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer Gesellschaft, die das Leben langfristig erhält. Ich bin sicher, dass die künftigen Wesen mit Dankbarkeit und Respekt an uns denken werden.«
Thomas Brandstätter fühlte sich von den letzten Worten Maevas wie betäubt. Er hatte ihre Rede in Sydney am Fernseher verfolgt, schon damals war ihr sanfter Predigerton auf ihn nicht ohne Wirkung geblieben. Aber sie direkt zu erleben war dann doch noch etwas anderes.
»Ich bin Ihnen noch ein Kompliment schuldig«, sagte er. Dann senkte er respektvoll den Kopf.
Als Cording, Shark und Steve am Abend aus Masdar zurückkehrten, fanden sie an der Rezeption eine Nachricht von Maeva vor, die sie dringend ersuchte, in ihrer Suite vorbeizuschauen. Cording
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