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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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einer der Anwesenden nahm Notiz von der tahitianischen Delegation, fast alle schauten auf die Videowand, auf der eine makabre Riege von Atomopfern zu besichtigen war, welche die Veranstalter gerade aufmarschieren ließen. Es handelte sich um Patienten aus den Hospitälern rund um Durban, die von Rotkreuzschwestern in Rollstühlen auf die Bühne geschoben wurden. Ihre Haut war knallrot, die Hälse so geschwollen, dass die Schultern direkt unter den Ohren begannen. Einer nach dem anderen berichtete über die Qualen, die er seit dem Unfall in den Uranminen auszuhalten hatte. Es handelte sich ausschließlich um Männer – Frauen traute man sich nicht vorzuzeigen.
    Cording konnte nicht länger hinsehen. Aber aufstehen und gehen, das verbot sich, das wäre mit Sicherheit falsch verstanden worden. Also hörte er diesen beklagenswerten Kreaturen mit geschlossenen Augen zu, lauschte ihren seltsam ausgedünnten Fistelstimmen, die davon berichteten, wie ihre Körper bei lebendigem Leibe verwesten, wie sie nachts im Blut badeten, das ihnen aus sämtlichen Körperöffnungen drang.
    Ein Musiker links von ihm ließ seine Bongos fallen, hielt sich den Magen und kotzte ihm vor die Füße. Cording fühlte sich erleichtert, als hätte der Mann sich auch für ihn übergeben. Die Gespensterparade nahm inzwischen mühsam winkend Abschied von der Bühne, und Hunderttausende, die eben noch starr vor Entsetzen zugehört hatten, winkten gerührt Richtung der zahlreich aufgestellten Videoscreens, auf denen die Kollateralschäden der Atomindustrie überlebensgroß serviert worden waren.
    Cording befürchtete, dass die Menge im Pelikan Park jeden Augenblick durchdrehte. Das Gegenteil aber war der Fall. Die Menschen verharrten wie gelähmt. Irgendwo in der unübersehbar weiten Menge hatten sie damit begonnen, die aktuelle Hymne des schwarzen Widerstands anzustimmen: MAMA AFRIKA.
    Mama Afrika, wir lassen dich nicht länger leiden.
    Mama Afrika, wir stehen hier zu deinem Schutz.
    Mama Afrika, du bist ja einer von uns beiden.
    Mama Afrika, denn du verdienst nicht diesen Schmutz!
    Der rhythmische Gesang rauschte wie eine aus dem Ozean getretene Welle Richtung Bühne, auf der die Musiker sie nun aufnahmen und tausendfach verstärkt zurückwarfen. Die Menschen im Publikum fassten sich bei den Händen, sie spürten die Vibration des einen großen Körpers, zu dem sie während der letzten Minuten verschmolzen waren. Aber vielleicht war dieser Kurzschluss zu stark, jedenfalls löste sich der Bund nach der ersten Strophe wieder auf.
    »Oh nein! NEIIIIIN!!!«
    Es war Maeva, die diesen markerschütternden Schrei ausgestoßen hatte. Entsetzt fixierte sie einen Monitor nach dem anderen, als hoffe sie, einer Täuschung erlegen zu sein. Jetzt bemerkten es alle im Zelt. Cording, die verbliebenen Musiker, die Tänzer, die Gastredner, auch Shark, Steve, Burgess, Brandstätter und Dr. Desai. Auf der Zeekoevlei Road im Westen waren Truppen in Stellung gegangen. Ebenso auf der Strandfontein Road im Osten. Das Militär hatte die Demonstranten in die Zange genommen. Cording glaubte, Schüsse zu hören. Andere schienen das auch bemerkt zu haben. Plötzlich wurde es gespenstisch still im Zelt. Sämtliche Monitore waren schwarz geworden. Die Lautsprecheranlage funktionierte ebenfalls nicht mehr. Es drang nur noch ein hysterisches Geschrei ins Zelt, dazwischen vereinzelte Gewehrsalven.
    Die Schockstarre dauerte nicht lange. Rudolf erkannte die Situation als Erster. Mit einem kurzen Kopfnicken wies er seine Männer an, Maeva in Sicherheit zu bringen. Sie protestierte energisch, aber dem Zugriff ihrer Krieger war sie nicht gewachsen. Tausendmal geübt. Vor allem hatten die Männer verinnerlicht, dass das Widerwort der zu schützenden Person nichts galt in Notfällen. Shark und Steve wurden ebenfalls energisch aufgefordert, sich Richtung Helikopter zu begeben. Cording folgte sowieso, das wusste Rudolf.
    Als ihr Hubschrauber über die Zedernbäume hinweg in nördlicher Richtung davonstob, war das Unternehmen Südafrika gescheitert, hatte Maeva zum ersten Mal Bekanntschaft mit der Realpolitik machen müssen. Cording nahm ihre Hand. Sie gab den Druck zurück, sah ihn aber nicht an. Sie blickte aus dem Fenster. Unter ihr stoben die Menschen in panischer Angst in alle Richtungen davon.
    »Wir fahren noch heute nach Koeberg, Shark«, unterbrach Maeva das betretene Schweigen. »Ich möchte mit dem AKW im Rücken einige Worte in die Kamera sprechen. Und ich möchte, dass diese Worte

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