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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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auf der Straße stand, beugte sie sich übers Geländer und rief: »Student! He! Student!«
    Er blieb stehen und wandte sich um.
    »Was denn noch?«
    »Folgendes noch: Jetzt kann ich Ihnen ja sagen, daß Ihre Ljubka eine Schlampe und Diebin ist und außerdem die Syphilis hat! Niemand von unseren guten Gästen wollte sie haben, und wenn Sie sie nicht genommen hätten, hätten wir sie sowieso morgen rausgeschmissen! Und ich sage Ihnen auch, daß sie was mit dem Portier, mit Polizisten, Hausmeistern und mit Dieben hatte. Glückwunsch zur Hochzeit!«
    »Uuh! Altes Ekel!« brüllte Lichonin.
    »Grüner Bengel!« rief die Verwalterin und schlug die Tür zu.
    Zum Polizeirevier fuhr Lichonin mit der Droschke. Unterwegs fiel ihm ein, daß er sich die Karte noch gar nicht richtig angesehen hatte, diese berüchtigte gelbe Karte, von der er schon so viel gehört hatte. Es war ein ganz gewöhnliches weißes Blatt Papier, nicht größer als ein Briefumschlag. Auf der einen Seite waren in den entsprechenden Spalten Ljubkas Vorname, Vatersname und Familienname eingetragen und ihr Beruf: Prostituierte. Auf der anderen Seite befanden sich kurze Auszüge aus den Paragraphen jenes Plakats, das er soeben studiert hatte – schändliche, heuchlerische Regeln für anständiges Benehmen sowie für äußere und innere Sauberkeit. »Jeder Besucher«, las er, »hat das Recht, von der Prostituierten ein schriftliches Zeugnis des Arztes zu verlangen, der sie das letztemal untersucht hat.« Und abermals ergriff sentimentales Mitleid Lichonins Herz.
    Ihr armen Frauen! dachte er bekümmert. Was machen sie nicht alles mit euch, wie treiben sie Schindluder mit euch, bis ihr euch schließlich an alles gewöhnt wie blinde Pferde im Göpel!
    Im Revier empfing ihn der Aufseher Körbesch. Er hatte Nachtdienst gehabt, war unausgeschlafen und folglich schlecht gelaunt. Sein fächerförmiger, üppiger roter Bart war zerknautscht. Die rechte Hälfte seines rotwangigen Gesichtes glühte noch vom langen Liegen auf dem unbequemen Wachstuchkissen. Doch seine erstaunlich grellblauen Augen, kalt und hell, blickten klar und hart wie blaues Porzellan. Nachdem er eine Gruppe Vagabunden, die nachts zum Ausnüchtern ins Revier gekommen waren und nun in ihre Stadtteile zurückgeschickt wurden, verhört, eingeschrieben und mit unflätigen Worten abgekanzelt hatte, lehnte er sich auf dem Sofa zurück, verschränkte die Hände im Nacken und streckte sich mit seiner ganzen riesigen Reckengestalt so sehr, daß alle seine Sehnen und Gelenke knackten. Er betrachtete Lichonin wie einen leblosen Gegenstand und fragte: »Und was wollen Sie, Herr Student?«
    Lichonin brachte kurz und bündig sein Anliegen vor.
    »Und nun«, schloß er, »will ich sie zu mir nehmen … wie geht das am besten? … Als Dienstmädchen oder, wenn Sie wollen, als Verwandte … wie können wir das machen?«
    »Nun, sagen wir, als Geliebte oder als Ehefrau«, widersprach Körbesch gleichmütig und drehte sein silbernes Zigarettenetui mit Monogramm und Bilderchen zwischen den Fingern. »Ich kann rein gar nichts für Sie tun … jedenfalls im Moment. Wenn Sie sie heiraten wollen, dann legen Sie die Genehmigung Ihrer Universität vor. Wenn Sie sie aber aushalten wollen, so überlegen Sie, wo da die Logik bleibt. Sie holen das Mädchen aus dem Haus der Unzucht heraus, um mit ihr in einem unzüchtigen Verhältnis zu leben.«
    »Dann eben als Dienstmädchen«, warf Lichonin ein.
    »Auch als Dienstmädchen. Bringen Sie eine Bescheinigung von Ihrem Vermieter – Sie sind hoffentlich nicht selbst der Hausbesitzer? –, also ja, eine Bescheinigung, daß Sie imstande sind, sich ein Dienstmädchen zu leisten, und außerdem alle Dokumente, die bestätigen, daß Sie die Person sind, als die Sie sich ausgeben, beispielsweise eine Bescheinigung von Ihrem Polizeirevier und von der Universität und so weiter. Ich hoffe doch, Sie sind polizeilich gemeldet? Oder sind Sie am Ende so einer? Ein Illegaler?«
    »Nein, ich bin gemeldet!« widersprach Lichonin, der allmählich die Geduld verlor.
    »Na fabelhaft. Und das Mädchen, für das Sie sich bemühen?«
    »Nein, sie ist noch nicht gemeldet. Aber ich habe ihre Karte, 240 die Sie mir hoffentlich gegen einen richtigen Ausweis eintauschen, und dann melde ich sie sofort an.«
    Körbesch breitete die Arme aus, dann spielte er wieder mit dem Zigarettenetui.
    »Ich kann nichts für Sie tun, Herr Student, absolut nichts, solange Sie nicht alle erforderlichen Papiere vorlegen. Was das

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