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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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Séparée. Wenn Sie wollen, lasse ich Ihnen Bier bringen. Oder vielleicht möchten Sie Kaffee? Oder«, sie ließ die Augen schelmisch blitzen, »oder vielleicht ein Mädchen? Tamara ist besetzt, aber vielleicht Njura oder Verka?«
    »Hören Sie auf, Shenja! Ich komme mit einer ernsten und wichtigen Frage, und Sie …«
    »Schon gut, schon gut! Ich habe nur Spaß gemacht. Ich sehe, Sie nehmen es genau. Das ist sehr anständig von Ihnen. Also gehen wir.«
    Sie führte ihn ins Chambre séparée, öffnete den inneren Riegel des Fensterladens und stieß ihn auf. Weich und eintönig ergoß sich das Tageslicht über die rot-goldenen Wände, über die Kandelaber, über die weichen roten Plüschmöbel.
    Hier hat alles angefangen, dachte Lichonin mit wehmütigem Bedauern.
    »Ich gehe«, sagte Shenja. »Lassen Sie sich von ihr nur nichts gefallen, und von Semjon auch nicht. Hauen Sie ordentlich auf den Putz. Jetzt ist heller Tag, jetzt wagen sie nicht, Ihnen etwas zu tun. Notfalls sagen Sie einfach, Sie würden zum Gouverneur fahren und sie anzeigen. Sagen Sie, innerhalb von vierundzwanzig Stunden müßten sie schließen und die Stadt verlassen. Wenn man sie anschreit, werden sie butterweich. Also dann, viel Erfolg!«
    Sie ging. Nach zehn Minuten kam die Verwalterin Emma Eduardowna hereingewalzt, üppig, in einem hellblauen Negligé aus Satin, mit herrischem Gesicht, das sich von der Stirn nach unten zu den Wangen verbreiterte wie ein häßlicher Kürbis, mit all ihren massiven Doppelkinnen und Brüsten, mit kleinen, scharfblickenden, wimpernlosen schwarzen Augen, mit schmalen, böse zusammengekniffenen Lippen. Lichonin erhob sich ein wenig und drückte die ihm dargebotene rundliche, mit Ringen übersäte Hand, und auf einmal mußte er verächtlich denken: Zum Teufel! Wenn dieses Ekel eine Seele hätte und wenn man in dieser Seele lesen könnte, wie viele direkte und indirekte Morde fände man darin verborgen!
    Es sei erwähnt, daß Lichonin, als er sich ins Viertel begab, außer Geld auch einen Revolver mitgenommen hatte und unterwegs im Gehen oft die Hand in die Tasche steckte, um das kühle Metall zu berühren. Er rechnete mit Beleidigungen, vielleicht sogar mit Gewalt und war entschlossen, ihnen in gebührender Weise zu begegnen. Doch zu seinem Erstaunen erwies sich alles, was er vermutet und befürchtet hatte, als Einbildung seiner ängstlichen Phantasie. Die Sache war viel einfacher, primitiver, prosaischer und zugleich unangenehmer.
    »Ja, mein Herr«* , sagte die Verwalterin gleichmütig und etwas von oben herab, während sie sich in einem tiefen Sessel niederließ und sich eine Zigarette ansteckte. »Sie haben für eine Nacht bezahlt und das Mädchen dann noch einen Tag und noch eine Nacht behalten. Also* schulden Sie uns noch fünfundzwanzig Rubel. Wenn wir ein Mädchen eine Nacht weglassen, nehmen wir zehn Rubel und für einen ganzen Tag fünfundzwanzig. Das ist die Taxe. Wie ist es, junger Mann, möchten Sie rauchen?« Sie bot ihm das Zigarettenetui, und Lichonin griff zerstreut zu.
    »Ich wollte über etwas ganz anderes mit Ihnen sprechen.«
    »Oh! Sprechen Sie ungeniert: ich verstehe alles sehr gut. Wahrscheinlich will der junge Herr dieses Mädchen, diese Ljubka, ganz zu sich nehmen, um sie auszuhalten oder um sie – wie sagt man auf russisch? – zu retten? Ja, ja, ja, so etwas kommt vor. Ich lebe zweiundzwanzig Jahre in einem öffentlichen Haus, und zwar stets in einem der besten, anständigsten Häuser, und ich weiß, daß das bei sehr törichten jungen Leuten vorkommt. Aber ich kann Ihnen versichern, es führt zu nichts.«
    »Ob es zu etwas führt oder nicht, das ist schließlich meine Sache«, erwiderte Lichonin dumpf und schaute seine Finger an, die auf seinen Knien zitterten.
    »O gewiß, Ihre Sache, junger Student!« Emma Eduardownas schlaffe Wangen und ihre mächtigen Kinne hüpften vor lautlosem Lachen. »Von Herzen wünsche ich Ihnen Liebe und Freundschaft, nur haben Sie die Güte, dieser Schlampe, dieser Ljubka, zu sagen, sie soll sich hier nicht wieder blicken lassen, wenn Sie sie eines Tages wie einen Hund davonjagen. Soll sie am Zaun vor Hunger verrecken oder in ein Fünfzigkopekenetablissement für Soldaten gehen!«
    »Glauben Sie mir, sie kommt nicht zurück. Ich bitte Sie nur, mir jetzt sofort ihre Papiere auszuhändigen.«
    »Die Papiere? Aber bitte! Auf der Stelle. Nur haben Sie die Güte, erst alles zu bezahlen, was sie hier auf Kredit genommen hat. Sehen Sie, hier ist ihr Rechnungsbuch. Ich

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