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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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habe es gleich mitgebracht. Ich wußte schon, wie unser Gespräch ausgehen würde.« Sie griff in den Ausschnitt ihres Morgenrockes, wobei sie Lichonin für einen Augenblick ihre riesige, fette gelbe Brust zeigte, und zog ein kleines Büchlein in schwarzem Umschlag hervor, darauf stand: »Rechnungsführung für Irina Wostschenkowa im Etablissement von Anna Markowna Schäubes, Kutschergasse Nr. soundso«. Sie reichte es ihm über den Tisch. Lichonin schlug die erste Seite auf und las drei oder vier Paragraphen vorgedruckter Vorschriften. Dort hieß es trocken und knapp, daß das Rechnungsbuch in zwei Exemplaren existiert, von denen eines die Chefin aufbewahrt, das andere die Prostituierte, daß in beide Bücher alle Einnahmen und Ausgaben einzutragen sind, daß der Prostituierten vertragsgemäß Essen, Wohnraum, Heizung, Licht, Bettwäsche, Badbenutzung und sonstiges zustehen und sie dafür an die Chefin keinesfalls mehr als zwei Drittel ihres Verdienstes zahlt, für den Rest des Geldes ist sie verpflichtet, sich sauber und ordentlich zu kleiden, wobei sie mindestens zwei festliche Kleider zu besitzen hat. Des weiteren wurde darauf hingewiesen, daß die Bezahlung in Form von Marken erfolgt, die die Chefin der Prostituierten bei Ablieferung des Geldes aushändigt, und daß jeweils am Monatsende abgerechnet wird. Und schließlich, daß die Prostituierte das Bordell jederzeit verlassen kann, auch wenn sie noch Schulden hat, diese muß sie allerdings auf der Grundlage der allgemeinen Zivilgesetze tilgen.
    Lichonin tippte mit dem Finger auf den letzten Punkt, hielt der Verwalterin das Buch hin und sagte triumphierend: »Aha! Da sehen Sie's: Sie hat das Recht, das Haus jederzeit zu verlassen. Folglich kann sie jederzeit fortgehen aus Ihrer ekelhaften Spelunke, aus Ihrer verfluchten Brutstätte von Vergewaltigung, Gemeinheit und Unzucht, wo Sie …« Lichonin wollte mächtig ins Zeug gehen, doch die Verwalterin unterbrach ihn gelassen: »Oh! Daran zweifle ich nicht. Sie soll ruhig gehen. Nur bezahlen soll sie.«
    »Und mit Wechsel! Sie kann Ihnen Wechsel geben.«
    »Pah! Wechsel! Erstens kann sie nicht schreiben, und zweitens, was sind ihre Wechsel denn wert? Da kann ich nur sagen: Pfui! Sie soll sich einen Bürgen besorgen, der vertrauenswürdig ist, dann habe ich nichts dagegen.«
    »Aber in den Vorschriften ist nichts über Bürgschaft gesagt.«
    »Da ist manches nicht gesagt! In den Vorschriften ist auch nichts darüber gesagt, daß man ein Mädchen aus dem Haus entführen kann, ohne die Leitung zu verständigen.«
    »Aber jedenfalls müssen Sie mir ihre Karte geben.«
    »Ich bin doch nicht dumm! Kommen Sie wieder her mit einer vertrauenswürdigen Person und mit der Polizei, und die Polizei soll bestätigen, daß Ihr Bekannter vermögend ist, und dann soll dieser Mensch für sie bürgen, und außerdem soll die Polizei bestätigen, daß Sie das Mädchen nicht nehmen, um mit ihr zu handeln oder sie an ein anderes Etablissement zu verkaufen – dann bitte sehr! Mit Haut und Haar!«
    »Gottverdammt!« rief Lichonin aus. »Aber wenn ich nun dieser Bürge bin, ich selbst! Wenn ich Ihnen jetzt gleich einen Wechsel ausschreibe …«
    »Junger Mann! Ich weiß nicht, was Sie lernen auf Ihren diversen Universitäten, aber halten Sie mich wirklich für so ausgemacht blöd? Geb's Gott, daß Sie noch ein Paar Hosen besitzen außer denen, die Sie jetzt tragen! Geb's Gott, daß Sie wenigstens alle zwei Tage zu Mittag einen Wurstzipfel aus dem Fleischerladen haben! Und Sie sprechen von einem Wechsel! Wieso führen Sie mich an der Nase herum?«
    Lichonin war nun endgültig verärgert. Er zog seine Brieftasche hervor und knallte sie auf den Tisch.
    »Dann zahle ich eben sofort bar!«
    »Ach, das ist natürlich eine andere Sache«, sagte die Verwalterin honigsüß, wenngleich immer noch mißtrauisch. »Haben Sie die Güte, umzublättern und nachzusehen, wie das Konto Ihrer Geliebten aussieht.«
    »Schweig, du Aas!« schrie Lichonin sie an.
    »Ich schweige, Dummkopf«, entgegnete die Verwalterin ruhig.
    Auf den linierten Seiten standen links die Einnahmen, rechts die Ausgaben.
    »Marken empfangen am 15. Februar«, las Lichonin, »für 10 Rubel, am 16. für 4 Rbl., am 17. für 12 Rbl., am 18. krank, am 19. krank, am 20. für 6 Rbl., am 21. für 24 Rbl.«
    Mein Gott! dachte Lichonin entsetzt und angewidert. Zwölf Mann! In einer Nacht!
    Am Monatsende stand: »Gesamtsumme 330 Rubel.«
    Himmel! Das ist doch Wahnsinn! Hundertfünfundsechzig

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