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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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Nein, bei mir waren schon solche und ähnliche, und ich habe sie nicht verschont; mit Genuß hab ich ihnen das Brandmal versetzt, wie Tieren. Und dieser tat mir plötzlich leid. Ich verstehe selber nicht, warum. Ich kann es einfach nicht begreifen. Ich dachte immer, das ist alles das gleiche, einen Idioten bestehlen oder einen Blinden schlagen oder einen Schlafenden erstechen … Wenn er ein Kümmerling gewesen wäre, ein ausgezehrter oder ekelhafter lüsterner Alter, dann hätte ich vor ihm nicht haltgemacht. Aber er war gesund und stark, mit Brustkorb und Armen wie eine Statue … und auf einmal konnte ich nicht … Ich habe ihm sein Geld zurückgegeben und ihm meine Krankheit gezeigt, kurzum, ich habe mich ganz dumm benommen. Er ist gegangen … hat geweint … Und nun habe ich seit gestern abend nicht mehr geschlafen. Ich tappe wie im Nebel … Vielleicht, denk ich jetzt, vielleicht ist das, was ich mir vorgenommen habe – mein Traum, sie alle anzustecken und auch ihre Väter, Mütter, Schwestern, Bräute, die ganze Welt –, vielleicht ist das alles Dummheit und leere Phantasterei, wenn ich jetzt wieder damit aufgehört habe? … Ich finde mich nicht mehr zurecht … Sergej Iwanowitsch, Sie sind so klug, Sie haben so viel gesehen im Leben – helfen Sie mir doch, mich selbst wiederzufinden!«
    »Ich weiß es nicht, Shenetschka!« sagte Platonow leise. »Nicht daß ich Angst habe, zu reden oder dir zu raten, aber ich weiß es wirklich nicht. Das übersteigt meinen Verstand und auch mein Gewissen.«
    Shenja verschränkte die Finger und ließ sie nervös knacken.
    »Ich weiß es auch nicht … Vielleicht ist es falsch, was ich gedacht habe? Vielleicht bleibt mir nur noch eins … Dieser Gedanke ist mir heute früh gekommen …«
    »Tu das nicht, Shenetschka, bloß das nicht! Shenja!« unterbrach Platonow sie rasch.
    »Nur noch eins: mich aufzuhängen …«
    »Nein, nein, Shenja, nur das nicht! Wenn die Umstände anders wären, unabänderlich, dann würde ich, glaub mir, tapfer sagen: Was hilft's, Shenja, mach Schluß mit dem Rummel … Aber du hast das ganz und gar nicht nötig … Wenn du willst, zeige ich dir einen Ausweg, der nicht weniger grausam und schonungslos ist, aber deinen Haß womöglich hundertmal besser stillt.«
    »Und was wäre das?« fragte Shenja matt, auf einmal ganz erschlafft nach ihrem Zornesausbruch.
    »Paß auf … Du bist noch jung, und ich sage dir ehrlich, du bist sehr schön, das heißt, du kannst, wenn du willst, außerordentlich effektvoll sein. Das ist sogar noch mehr als Schönheit. Aber bis jetzt kennst du das Ausmaß und die Macht deiner Erscheinung noch gar nicht, und vor allem, du weißt nicht, wie bezaubernd solche Naturen wie du sind und wie sie die Männer an sich fesseln und mehr als Sklaven oder zahmes Vieh aus ihnen machen … Du bist stolz, du bist kühn, du bist unabhängig, und du bist klug … Ich weiß: Du hast viel gelesen, wenn vielleicht auch Schundliteratur, aber immerhin gelesen, deine Sprache ist ganz anders als die der anderen. Wenn alles gut geht, kannst du geheilt werden und aus diesem Sumpfviertel in die Freiheit gelangen. Du brauchst nur mit dem kleinen Finger zu schnippen, und schon werden dir Hunderte von Männern zu Füßen liegen, dir ergeben und für dich bereit zu Gemeinheit, Diebstahl, Verschwendung. Beherrsche sie, indem du die Zügel kurz und die Peitsche bereit hältst! Richte sie zugrunde, treib sie zum Wahnsinn, solange du Lust und Energie dazu hast! Sieh mal, liebe Shenja, wer entscheidet denn heutzutage im Leben, wenn nicht die Frauen! Gestrige Zimmermädchen, Wäscherinnen, Choristinnen knacken Millionenvermögen wie eine Bäuerin aus Twer Sonnenblumenkerne. Eine Frau, die kaum ihren Namen schreiben kann, nimmt manchmal durch ihren Mann auf das Schicksal eines ganzen Königreiches Einfluß. Erbprinzen heiraten ehemalige Dirnen, die sich aushalten ließen … Shenetschka, da hast du ein weites Feld für deine unbezwingliche Rachsucht, und ich werde dir aus der Ferne zusehen. Du nämlich, du bist dafür wie geschaffen – räuberisch, zerstörerisch. Vielleicht nicht in ganz so großem Stil, aber du zwingst sie unter deine Fuchtel.«
    »Nein.« Shenka lächelte schwach. »Früher habe ich auch daran gedacht … Aber in mir ist etwas Wichtiges erloschen. Ich habe keine Kraft mehr, keinen Willen und keine Wünsche. Ich bin innen ganz leer, ganz zermürbt. Weißt du, es gibt einen Pilz, weiß und rund, wenn man den zerquetscht, kommt stinkendes

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