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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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üblichen Jargon, der eine wüste Mischung aus Jiddisch, Rumänisch und der Zigeunersprache sowie aus dem Rotwelsch der Gauner und Pferdediebe darstellte.
    »Obacht, der kann uns in die Karten gucken«, unterbrach Tamara sie und wies lächelnd mit den Augen auf den Journalisten.
    Platonow hatte tatsächlich verstanden. Shenja hatte voller Entrüstung erzählt, daß die unglückliche Pascha im Verlauf des Abends und der Nacht, weil so viel billige Kundschaft kam, mehr als zehnmal aufs Zimmer geholt wurde – und immer wieder für einen anderen. Eben hatte sie einen hysterischen Anfall gehabt, der mit einer Ohnmacht endete. Und Emma Eduardowna, kaum daß sie Pascha wieder zu sich gebracht und ihr Baldriantropfen in einem Glas Schnaps eingeflößt hatte, schickte sie wieder in den Saal. Shenja hatte versucht, ein Wort für die Freundin einzulegen, doch die Verwalterin beschimpfte die Fürsprecherin und drohte ihr Strafe an.
    »Was sagt sie da?« fragte Jartschenko verständnislos und zog die Brauen hoch.
    »Kein Grund zur Aufregung … nichts von Belang«, antwortete Shenja, immer noch mit erregter Stimme. »Kleiner Familienzwist … Sergej Iwanytsch, darf ich?«
    Sie goß sich ein halbes Glas Kognak ein und trank ihn in einem Zug aus, wobei ihre zarten Nasenflügel vibrierten.
    Platonow erhob sich schweigend und ging zur Tür.
    »Ach nein, Sergej Iwanytsch. Lassen Sie …«, hielt Shenja ihn zurück.
    »Aber nicht doch, warum denn?« widersprach der Journalist. »Ich tue die einfachste und unschuldigste Sache, ich hole Pascha her, und wenn es sein muß, bezahle ich auch für sie. Sie soll ein Weilchen hier auf dem Sofa liegen und sich ausruhen … Njura, lauf schnell und hol ein Kissen!«
    Kaum hatte sich die Tür hinter der breiten, plumpen Gestalt im grauen Anzug geschlossen, da sagte Boris Sobaschnikow verächtlich und scharf: »Welcher Teufel hat uns geritten, Herrschaften, diesen Tagedieb von der Straße aufzusammeln und in unsere Gesellschaft einzubeziehen? Das fehlt uns noch, mit Hinz und Kunz anzubändeln. Weiß der Himmel, was er für einer ist – am Ende gar ein Spitzel? Wer kann die Hand dafür ins Feuer legen? Und immer wieder machst du so was, Lichonin.«
    »Aber Borja, was hättest du denn von einem Spitzel zu befürchten?« wandte Lichonin gutmütig ein.
    »Nicht Lichonin, sondern ich habe ihn mit allen bekannt gemacht«, sagte Ramses. »Ich kenne ihn als durchaus anständigen Menschen und als guten Kameraden.«
    »Ach, Unsinn! Ein schöner Kamerad, der auf fremde Kosten trinkt. Seht ihr denn nicht selber, daß er der allergewöhnlichste Typ eines Freudenhausstammgastes ist, und höchstwahrscheinlich ist er sogar ein hauseigener Bock, der Prozente bekommt für die Zeche, zu der er die Besucher veranlaßt.«
    »Hör auf, Borja. Das ist doch töricht«, sagte Jartschenko vorwurfsvoll.
    Aber Borja konnte nicht aufhören. Er hatte eine unglückselige Eigenart: Die Trunkenheit wirkte sich bei ihm weder auf die Beine noch auf die Zunge aus, sondern versetzte ihn in eine düstere, gereizte Stimmung und ließ ihn Streit suchen. Und Platonow reizte ihn schon lange durch seinen nachlässig-aufrichtigen, bestimmten und ernsthaften Ton, der so gar nicht ins Chambre séparée eines Freudenhauses paßte. Doch noch mehr ärgerte Sobaschnikow die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der der Reporter seine boshaften Zwischenbemerkungen überhörte.
    »Und außerdem, was für einen Ton erlaubt er sich in unserer Gesellschaft«, fuhr Sobaschnikow wütend fort. »So etwas von Selbstsicherheit und Herablassung, ein richtiger Professorenton … Dieser räudige Dreikopekenschreiberling! Dieser Schmarotzer!«
    Shenja, die den Studenten die ganze Zeit unverwandt angeblickt hatte, während ihre dunklen Augen amüsiert und feindselig blitzten, klatschte plötzlich in die Hände.
    »So ist es recht! Bravo, Studentlein! Bravo, bravo, bravo! Immer gib's ihm! Wahrhaftig, was für eine Unverschämtheit! Sowie er hierher zurückkommt, werde ich ihm alles berichten.«
    »Bitte sehr! Soviel Sie wollen!« zischte Sobaschnikow theatralisch, und um seinen Mund bildeten sich hochmütig-verächtliche Falten. »Ich selbst werde es ihm sagen.«
    »Das ist ein Kerl, den lob ich mir!« rief Shenja mit böser Fröhlichkeit und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die Eule erkennt man am Flug, einen tüchtigen Kerl am Rotz!«
    Die Blonde Manja und Tamara sahen Shenja erstaunt an, doch als sie die spöttischen Fünkchen in ihren Augen und ihre nervös

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