Das sündige Viertel
bebenden Nasenflügel bemerkten, begriffen beide und lächelten.
Die Blonde Manja schüttelte, während sie lachte, vorwurfsvoll den Kopf. Solch ein Gesicht hatte Shenja immer, wenn ihre ungestüme Seele ahnte, daß ein von ihr selbst heraufbeschworener Skandal im Anzug war.
»Laß gut sein, Borja«, sagte Lichonin. »Hier sind alle gleich.«
Njura kam mit einem Kissen und legte es aufs Sofa.
»Wozu denn das noch?« schrie Sobaschnikow sie an. »He, bring das sofort wieder weg. Hier ist kein Nachtlager.«
»Ach, laß sie doch, mein Lieber. Was stört es dich?« widersprach Shenja honigsüß und versteckte das Kissen hinter Tamaras Rücken. »Warte, Schatz, ich setze mich ein bißchen zu dir.«
Sie ging um den Tisch herum, drückte Boris auf einen Stuhl und setzte sich auf seinen Schoß. Den Arm um seinen Hals geschlungen, preßte sie ihre Lippen so lange und so fest auf seinen Mund, daß es dem Studenten den Atem verschlug. Ganz dicht vor seinen Augen sah er die Augen der Frau – eigentümlich groß, dunkel, glänzend, starr und undurchschaubar. Für den Bruchteil einer Sekunde, für einen winzigen Augenblick schien ihm, in diesen leblosen Augen drücke sich scharfer, wütender Haß aus; und durch das Hirn des Studenten huschte ein kaltes Grauen, eine vage Vorahnung drohenden, unvermeidlichen Unglücks. Mühsam riß er Shenjas geschmeidige Arme von sich los, stieß sie zurück und sagte lachend, wobei er heftig atmete und ganz rot im Gesicht war: »Das nenne ich Temperament. Ach, du Messalina Pafnutjewna … Du heißt Shenja, stimmt's? Hübsch bist du, Gaunerin.«
Platonow kam mit Pascha zurück. Pascha bot einen kläglichen und abstoßenden Anblick. Ihr Gesicht war blaß und stellenweise bläulich geschwollen, die halbgeschlossenen trüben Augen lächelten schwach und idiotisch, die geöffneten Lippen erinnerten an zwei nasse rote Lumpenfetzchen, und ihr Gang war schüchtern und unsicher, es sah aus, als mache sie mit einem Bein große Schritte, mit dem anderen kleine. Gefügig ging sie zum Sofa, gefügig legte sie sich mit dem Kopf auf das Kissen, dabei unaufhörlich schwach und töricht lächelnd. Man sah von weitem, daß sie fror.
»Verzeihung, meine Herren«, sagte Lichonin, zog sein Jackett aus und legte es der Prostituierten um die Schultern. »Tamara, gib ihr Schokolade und Wein.«
Boris Sobaschnikow stand wieder posierend in der Ecke, leicht gebeugt, die Füße gekreuzt und den Kopf in den Nacken gelegt. Auf einmal, in das allgemeine Schweigen hinein, sagte er in äußerst geckenhaftem Ton, sich direkt an Platonow wendend: »He … hören Sie … wie war doch gleich Ihr Name? … Das da ist wohl Ihre Geliebte? Ja?« Und er wies mit der Stiefelspitze auf die liegende Pascha.
»Wie bitte?« fragte Platonow gedehnt und zog die Brauen zusammen.
»Oder Sie sind ihr Liebhaber – das ist ja egal … Wie nennt sich denn dieser Posten hier bei Ihnen? Na, ich meine die, für welche die Frauen Hemden sticken und mit denen sie ihr ehrlich verdientes Geld teilen. Na?«
Platonow musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen, mit schwerem, angespanntem Blick.
»Hören Sie«, sagte er leise, mit heiserer Stimme, seine Worte ganz langsam und deutlich setzend, »das ist nicht das erste Mal heute, daß Sie Streit mit mir suchen. Aber erstens sehe ich, daß Sie, obwohl Sie nüchtern scheinen, stark und widerlich betrunken sind, und zweitens will ich Sie Ihrer Begleiter wegen schonen. Aber ich warne Sie: wenn Sie sich noch einmal einfallen lassen, so mit mir zu reden, dann nehmen Sie die Brille ab.«
»Was soll das Gefasel?« rief Boris, zog die Schultern hoch und schniefte mit der Nase. »Wieso Brille? Was für eine Brille?« Und doch rückte er mechanisch mit zwei Fingern seinen Kneifer auf der Nase zurecht.
»Weil ich Sie schlagen werde, und dann könnten Ihnen Splitter ins Auge geraten«, sagte der Journalist gleichmütig.
Obwohl der Streit ganz unerwartet so eine Wendung genommen hatte, lachte niemand. Nur die Blonde Manka schlug die Hände zusammen und gab einen erstaunten Laut von sich. Shenja ließ ihre Augen mit gieriger Ungeduld von einem zum anderen wandern.
»Nur zu! Ich werd es dir heimzahlen, daß dir das Lachen vergeht!« schrie Sobaschnikow grob, ganz wie ein kleiner Junge. »Nur daß es nicht lohnt, sich die Hände schmutzig zu machen an jedem …«, er wollte eine neue Beschimpfung hinzufügen, ließ es dann aber, »an jedem dahergelaufenen … Und überhaupt, Freunde, ich habe nicht die
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