Das Süße Geheimnis Der Leidenschaft: Roman
auf die kleine Ausbuchtung in ihrem Ridikül, atmete noch einmal tief durch und stieg die Treppe hinauf, um anzuklopfen. Sie betete darum, dass die Gouvernante noch hier arbeitete. Erst als die Tür geöffnet wurde, kam es der Komtesse of Bessett in den Sinn, dass es möglicherweise nicht ganz der Etikette entsprach, am Vordereingang nach einer Angestellten zu fragen.
Nun, jetzt war es zu spät. Ein hochgewachsener, breitschultriger Diener starrte ihr direkt ins Gesicht. Lady Bessetts Hand zitterte leicht, als sie ihm ihre Karte reichte. »Die Komtesse of Bessett möchte Mademoiselle de Severs sprechen, wenn sie anwesend ist?«
Die Augenbrauen des Dieners hoben sich ein wenig indigniert, doch er führte die Komtesse die Treppe hinauf und bat sie, in einem kleinen, von Sonnenlicht durchfluteten Salon Platz zu nehmen.
Das Zimmer war mit erlesenen französischen Antiquitäten ausgestattet. Buttergelbe Seidentapeten bedeckten die Wände, und die gelben Seidenvorhänge passten perfekt zu dem kostbaren Aubusson-Teppich. Trotz ihrer Nervosität fand Lady Bessett das Zimmer angenehm und merkte sich im Geiste die Farben. Vorausgesetzt sie überlebte dieses Zusammentreffen, wollte sie morgen ein Haus kaufen. Ihr eigenes Haus - nicht das ihres Mannes oder ihres Vater oder ihres Stiefsohnes. Ihr Haus. Und dann würde sie auch einen gelben Salon haben. Darüber konnte sie ganz allein entscheiden, nicht wahr? Das würde sie dem Bauunternehmer morgen sagen.
Einige Augenblicke später betrat eine groß gewachsene, dunkelhaarige Frau das Zimmer. Sie sah ganz entschieden französisch aus, aber sie war vielleicht ein wenig eleganter gekleidet, als man es von einer Gouvernante erwartete. Ihr Benehmen war nicht besonders eilfertig, und ihr Gesichtsausdruck war der höflicher Neugier. Ehe sie es sich noch einmal anders überlegte, erhob Lady Bessett sich rasch vom Sofa und ging rasch auf die Frau zu.
»Sie sind Mademoiselle de Severs?«, fragte sie und ergriff die Hand der Frau.
Die Frau zögerte kurz. »Nun, ja, aber ...«
»Ich möchte Sie engagieren«, unterbrach Lady Bessett sie. »Sofort! Sie müssen mir nur sagen, welches Gehalt Sie erwarten.«
Mademoiselle de Severs zog sich einen Schritt weit zurück. »Oh, ich fürchte, Sie irren sich, aber ...«
»Nein, ich bin verzweifelt!« Lady Bessett drückte Mademoiselle de Severs' Hand etwas fester. »Ich habe ein Empfehlungsschreiben. Von der Gräfin von Hodenberg aus Passau. Sie hat mir alles erzählt. Über Ihre Arbeit. Ihre Tätigkeit in Wien. Mein Sohn ... Ich fürchte, er ist sehr krank. Ich möchte Sie engagieren, Mademoiselle de Severs. Ich muss! Ich weiß nicht, an wen sonst ich mich wenden soll!«
Die Frau drückte Lady Bessett tröstend die Hand. »Es tut mir leid«, sagte sie mit ihrem leichten französischen Akzent. »Die Gräfin ist falsch unterrichtet. Genau genommen habe ich sie seit zehn Jahren oder noch länger nicht mehr gesprochen.«
»Das hat sie mir gesagt«, erwiderte Lady Bessett.
»Bitte - woher kennen Sie die Gräfin?«
Lady Bessett senkte den Blick und schaute zu Boden. »Ich habe während meiner Ehe meistens im Ausland gelebt«, erklärte sie. »Ihr Gatte und der meine teilten das Interesse für antike Geschichte. Wir sind uns das erste Mal in Athen begegnet.«
»Wie freundlich von ihr, sich an mich zu erinnern.«
Lady Bessett lächelte schwach. »Sie wusste nur, dass Sie nach London gegangen sind, um für eine Familie namens Rutledge zu arbeiten, die ein kleines Mädchen hatte, das schrecklich krank war. Es war recht schwierig, diese Familie aufzuspüren. Und London - nun, es ist eine sehr große Stadt, nicht wahr? Ich war erst einmal in meinem Leben hier.«
Miss de Severs deutete auf zwei Sessel vor dem Kamin, der an diesem Spätfrühlingsnachmittag nicht brannte. »Bitte nehmen Sie doch Platz, Lady Bessett«, lud sie die Besucherin ein. »Ich werde mich bemühen, meine Stellung in diesem Haus zu erklären.«
Die Hoffnung in Lady Bessetts Herzen schwand. »Sie ... Sie können uns nicht helfen?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen«, erwiderte die Gouvernante. »Ich werde es gewiss versuchen. Ihr Sohn - wie alt ist er bitte und welcher Art ist seine Erkrankung?«
Lady Bessett unterdrückte ein Schluchzen. »Geoffrey ist zwölf«, antwortete sie. »Und er ... er hat ... nun, er bildet sich Dinge ein, Mademoiselle. Seltsame, erschreckende Dinge. Und er sagt Dinge, die keinen Sinn ergeben, und er kann nicht erklären, warum er das tut.
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